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Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers

Titel: Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers
Autoren: Lutz Schumacher
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lauter Schreck im gehobenen Schritttempo durchquert hatte, die Methode funktionierte blöderweise tatsächlich.
    Kurz nach dem Ortsausgangsschild änderte sich die Ansprache sehr grundsätzlich. Auf einem riesigen Display begrüßte die Samtgemeinde Föhring alle Vorbeifahrenden auf der »Route der Sicherheit«, die hier zwischen den beiden Gemeindeteilen von Föhring eine Teststrecke des neuen elektronischen Verkehrsbeeinflussungssystems sei. Glücklicherweise tauchte einige Meter weiter ein zweites Display auf, sonst hätte Harald nie erfahren, dass dieses für Landstraßen einmalige Projekt vom Freistaat Bayern, der
Bundesrepublik Deutschland, der Europäischen Union sowie von Unicef und der Unesco gefördert worden war. Das ließ Allerschlimmstes befürchten. Dass er damit goldrichtig lag, wurde Harald nur wenige hundert Meter später klar. Ab hier nämlich hatte Föhring begonnen, ernst zu machen und in engem Abstand elektronische Anzeigetafeln zu installieren. Der Irrsinn begann mit einem Geschwindigkeitstrichter. 80, 60, 40 zeigten die ersten drei Schilder an, dann folgten Leuchtspuren im Boden und weitere Displays mit blinkenden »Achtung«-Zeichen. Offenbar wollte man die Autofahrer auf eine Tunneleinfahrt aufmerksam machen. Ein Laufband über dem Eingangsbogen vermeldete unentwegt: »TUNNEL +++TUNNEL +++TUNNEL...« »Hätte ich jetzt nicht gedacht«, flüsterte Harald heiser und fragte sich nicht zum ersten Mal am heutigen Tag, ob eigentlich irgendjemand solche schwachsinnigen Ausgaben von Steuergeldern kontrollierte. Im Tunnel setzte sich der elektronische Wahnsinn fort. Rote Warnkreuze informierten Harald permanent, dass es ihm nicht erlaubt war, auf der Gegenspur zu fahren, was Harald sonst in einem kurvenreichen, schlecht einsehbaren Tunnel mit durchgezogener Mittellinie bestimmt getan hätte.
    Kaum hatte er die Ausfahrt passiert, gestattete ihm die Straßenelektronik zwar gnädig, auf 80 Stundenkilometer zu beschleunigen. Doch nicht lange, dann schrieb sie wieder 50 vor – wegen »OTTERWANDERUNG!!!«, wie ihn ein weiteres Display informierte. »Kein Wunder, dass die Viecher abhauen«, dachte Harald und wünschte sich intensiv, ebenfalls schnellstmöglich von hier weg zu wandern. Er musste jedoch die Straße benutzen. »30 +++ 30 +++ 30 +++ GEFAHR +++ GEFAHR +++ 30...« blinkte eine weitere Infowand. »Was
ist jetzt schon wieder?«, rief Harald entnervt. Ein weiteres Display erläuterte, dass »SCHULKINDER!!!« zu beachten seien. Diese mussten aber wohl eine Baumschule besuchen, denn Harald sah um sich herum lediglich endlose Felder und eine Reihe Bäume. Die Straße lief schnurstracks geradeaus. Nirgendwo war irgendeine Gefahr auszumachen, geschweige denn ein Mensch. Harald fluchte, fuhr aber dennoch die geforderten 30 Stundenkilometer, hauptsächlich wegen der Radarrüssel, die sich heimtückisch hinter jedem der Hinweisschilder versteckten. Nach einem Kilometer war der Spuk endlich vorbei, und er konnte wieder beschleunigen. Die Sonne schien weiterhin am wolkenlosen Himmel, rechts und links der Straße grasten Kühe. »NÄSSE!«, warnte das nächste Display und beschränkte die Geschwindigkeit vorsorglich auf 60. Es war zum Verzweifeln. »Es ist nicht nass!«, brüllte Harald, doch niemand konnte ihn hören. Er war ganz allein.
    Die nächsten Hinweistafeln blieben hartnäckig bei ihrer Wetterprognose, ergänzten jedoch noch »REGEN« und »HA-GELGEFAHR«. Harald nahm sich vor, nach seiner Rückkehr von diesem Höllentrip dem zuständigen Landrat eine gepfefferte E-Mail zu schreiben. Doch schließlich erblickte er ein Gesamtaufhebungsschild und gab erleichtert Gas. Direkt hinter dem letzten Display wurde die Straße stark abschüssig und ging unvermittelt in eine scharfe Linkskurve über. Harald rutschte fast das Herz in die Hose, als ihm im selben Moment ein Schwerlaster hupend entgegenschoss. Das war die erste reale Gefahr seit Hinterföhring, aber hier war jetzt ausgerechnet die Teststrecke zu Ende. Er hatte den Gedanken noch gar nicht zu Ende gedacht, da nahm er zwei Dinge
gleichzeitig wahr. Das erste war das Ortseingangsschild von Vorderföhring, und das zweite war eine weiße Betonmauer, die absurderweise mitten auf der Fahrbahn stand. Harald drückte mit entsetzt aufgerissenen Augen die Bremse durch, aber es war viel zu spät.
    Er prallte mit voller Wucht auf die Mauer – doch wundersamerweise geschah gar nichts. 50 Meter weiter blieb Harald stehen, sein Puls lag bei schätzungsweise 180, er
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