Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers

Titel: Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers
Autoren: Lutz Schumacher
Vom Netzwerk:
Fahrerinformationssystem«, sagte die Digitalsonne, die ihm heute noch bösartiger als sonst vorkam. »Wählen Sie eine Funktion!«
    »Tempomat«, sagte Harald und merkte, wie sein Fuß langsam einschlief, weil er krampfhaft die Geschwindigkeit zu halten versuchte. Er musste dringend mal kräftiger treten, sonst würde er einen Krampf bekommen. Harald sah sich um. Er fuhr gerade an einem Dorfanger vorbei, weit und breit war nichts zu sehen außer einem Misthaufen. Er konnte es riskieren. »Sie haben die Funktion Tempomat gewählt«, krähte die Sonne, da blitzte es auch schon rot. Harald machte eine Vollbremsung und blieb stehen. Er sah sich um. Wo zum Teufel stand diese Radarfalle? Er hätte losschreien können, aber er wollte sich vor der Sonne nicht blamieren.
    »Sicherheitshinweis. Der Tempomat kann bei Stillstand des Fahrzeuges nicht betrieben werden«, erklärte die Bordelektronik.
    »Das weiß ich auch«, brüllte Harald zornesrot. Wo war der Blitzer? In diesem Moment kam ein silberner VW Passat mit Münchner Kennzeichen herangerauscht. Harald drehte den Kopf, da sah er die Frechheit. Der Misthaufen hob sich ein Stückchen, und eine schlanke Metallsäule fuhr empor. Offenbar kannte der Münchner jedoch im Gegensatz zu Harald den Trick, jedenfalls bremste er rechtzeitig ab, und die Säule verschwand wieder. Harald lehnte sich seufzend im Sitz zurück. Gut, das waren höchstens zehn Stundenkilometer zu viel gewesen, darauf kam es heute auch nicht mehr an. Er fuhr weiter.
    »Geben Sie eine Geschwindigkeit vor«, verlangte die Computerstimme.
    »30«, sagte Harald. »Und keinen Stundenkilometer mehr!«
    »Bitte wiederholen«, schnarrte das System.
    »30«, sagte Harald mit gepresster Stimme und beschloss wieder einmal, den Wagen, zumindest aber das Fahrerinformationssystem gleich nach seiner Rückkehr in die Müllpresse zu geben.
    »Zulässige Mindestgeschwindigkeit des Tempomaten unterschritten«, plärrte die Elektronik.
    Harald spürte ohnmächtigen Zorn. In Einserschritten arbeitete er sich vor, aber erst bei 35 Stundenkilometern ließ die Sonne Gnade vor Recht ergeben. Aufs Äußerste gespannt durchfuhr Harald weiter diesen endlosen Ort. Überall ahnte er Blitzer. Stand da nicht ein verdächtiger Kasten im Blumenbeet?
Nein, es war nur eine Tüte mit Kunstdünger. Aber dort! Der Blätterhaufen! Nichts regte sich. Naja, der Trick wäre auch alt gewesen. In der Mitte der Straße stand die Dorfkirche, Harald lenkte denWagen rechts um das Gebäude herum. Vor dem schweren Eisenportal war die Statue eines Dorfheiligen zu sehen, jedenfalls hielt Harald sie für eine solche. Er hatte seit Jahren keine Kirche mehr betreten. Die Figur trug einen Heiligenschein, um sie herum standen Schafe und Hühner, die sie segnete – oder denen sie etwas zu essen gab, Harald war sich da nicht sicher. Die Statue schaute ihn jedenfalls grundgütig an. Plötzlich glomm das rechte Auge des Heiligen rot auf, Harald schrie, bremste – doch es war zu spät. Er trommelte auf sein Lenkrad und fluchte hemmungslos, so niederträchtig fand er die Sache. Alle hatten sich gegen ihn verschworen. Alle! Die Dörfer, der Landrat, die Polizei sowieso und jetzt auch noch die Kirche.
    Mit 45 Stundenkilometern schlich Haralds Epremo die 17 Kilometer nach Bad Kiessee, obwohl durchgehend 100 erlaubt waren. Dutzende anderer Wagen zogen an ihm vorbei. Hupend überholten ihn Kleintransporter, Lastwagen und schließlich sogar ein Traktor. Mit Anhänger, wie Harald registrierte, doch es war ihm egal. »Willkommen in Bad Kiessee« stand auf dem Holzschild an der Ortseinfahrt. DieTafel sah aus wie ein riesiges Vogelhaus. Er orderte bei der Sonne 45 Stundenkilometer und lenkte verkrampft durch den Ort. Bad Kiessee sah aus wie alle bayerischen Erholungsorte. Gelbe Häuser mit Holzbalkonen, Blumenkästen, aufgeräumte und saubere Gehwege. Harald passierte nacheinander ein kleines Kaufhaus, das Postamt, eine Autovermietung, ein Thermalbad, den städtischen Busbahnhof und einen Kreisverkehr.
Er wurde immer misstrauischer, denn bislang hatte sich noch keine Sicherheitsrouteninstallation gezeigt. Harald sagte der Sonne, sie solle auf 40 runterschalten, was diese nach einigem Hin und Her auch tat. Hinter ihm hatte sich eine lange Schlange gebildet, erstes empörtes Hupen war zu hören. »Zahlt ihr die Tickets, ja, tut ihr das?«, rief Harald wütend, aber natürlich konnte ihn niemand hören. Kurz vor der Ortsausfahrt überholte ihn ein blaues Porsche-Cabrio. Der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher