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Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers

Titel: Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers
Autoren: Lutz Schumacher
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sonnenbebrillte Fahrer lehnte sich im Fahrtwind zurück, seine blonde Beifahrerin starrte verächtlich zu Harald hinüber. »Wartet nur«, dachte Harald. Und tatsächlich: Zum ersten Mal an diesem Tag traf es nicht ihn. Aus dem Schild »Auf Wiedersehen in Bad Kiessee« blitzte es rot, Harald sah die Bremslichter des Porsches aufleuchten und lachte schallend. Die Freude verging ihm jedoch schlagartig, als sein Blick auf die Innenraumuhr fiel. »Mein Gott, das schaffe ich nie«, dachte Harald und beschloss, seine vornehme Zurückhaltung aufzugeben. Mit exakt 100 Stundenkilometern konnte hier eigentlich nichts schiefgehen – zumindest solange es keine weitere Beschilderung geben würde. Kurz darauf erreichte Harald einen besonders gut ausgebauten Abschnitt der Landstraße. Ein Geschwindigkeitsschild zeigte ihm, dass hier sogar 120 Stundenkilometer erlaubt waren. Vielleicht konnte er den Termin ja doch noch schaffen. Harald beschleunigte und schaute umher. Die Landschaft war jetzt wieder etwas hügeliger. Die Sonne brannte immer noch, Wolken waren keine zu sehen, rechts und links der Straße standen Kühe auf den endlos scheinenden grünenWiesen. Die Straße machte eine sanfte Rechtskurve und führte in einen Wald. Harald lenkte den Epremo vorsichtig
nach rechts und entspannte sich ein bisschen. Überraschenderweise bog nun die Straße plötzlich doch recht scharf nach rechts, was man wegen der Bäume nicht hatte sehen können. Kaum war Harald vom Gas gegangen, sah er schon ein Schild mit einer »60«, darunter ein Zusatzschild »Gefahrenstelle«. Harald bremste, doch da blitzte es auch schon rot auf.
    Weiter vorne auf der Straße stand ein Polizist mit erhobener Kelle. Mit Mühe und quietschenden Reifen brachte Harald den Wagen zum Stehen. Ein weiterer Polizist kam auf ihn zu. Harald merkte, wie eine neue Dimension von Wut in ihm aufstieg. Eine kalte Wut, eine Wut, die wohl Amokläufer vor ihren Taten empfinden. Er sprang aus dem Wagen und brüllte die Beamten an: »Was soll das, hä? Finden Sie das etwa lustig? Da kommt völlig aus dem Nichts das 60er-Schild, und direkt dahinter steht ihr Vögel. Das ist ein Fall für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, das ist...«
    »Jetzt beruhigen Sie sich mal, guter Mann«, sagte einer der beiden Polizisten. Er war hager und hatte tiefe Tränensäcke unter den Augen. Sein Blick war müde. »Es mag ja sein, dass Sie sich ärgern, wahrscheinlich vor allem über Ihr eigenes Fehlverhalten, aber an den Fakten ändert das nichts. Sie sind in einer 60er-Zone 93 Stundenkilometer schnell gefahren. Also bitte die Wagenpapiere und Ihre Fahrerlaubnis!«
    Harald fixierte den Beamten. »Eine 60er-Zone, ja? Zone! Kilometerlang, mehrfach angekündigt, große Transparente >Sie fahren in einer 60er-Zone<...« Er schnappte nach Luft. »Verarsche nenne ich das, Abzocke, arglistige Täuschung!«
    Jetzt kam der andere Beamte seinem Kollegen zu Hilfe.
»So, der Herr, was passt uns denn nicht? Der Straßenbereich ist ordnungsgemäß mit dem dafür in der StVO vorgesehenen Höchstgeschwindigkeitszeichen gekennzeichnet – und wir haben ebenso ordnungsgemäß eine Geschwindigkeitsmessung vorgenommen.«
    »Ordnungsgemäß nennen Sie das? Sie lauern doch unmittelbar hinter dem Schild. Das ist doch gar nicht zulässig«, schrie Harald, der zumindest meinte gehört oder gelesen zu haben, dass Kontrollen erst 150 Meter hinter einem Geschwindigkeitsschild stattfinden dürfen.
    »Nicht zulässig, aha«, schnappte der Tränensäckige und sog tief Luft ein. »Dann darf ich Sie einmal mit der gestern in Kraft getretenen bayerischen Sonderverordnung zur Verkehrsraumüberwachung von Unfallschwerpunkten vertraut machen. Danach kann der Abstand des Radargerätes in begründeten Ausnahmefällen auf drei Meter verkürzt werden.« Selbstzufrieden schaute der Ordnungshüter Harald an.
    »Und wie lautet Ihre Begründung für diesen Ausnahmefall?«, ätzte der zurück.
    »Besondere Gefahrenstelle«, sagte der zweite Polizist mit überheblichem Unterton. »Eine scharfe Kurve, die Fahrzeuge kommen mit hoher Geschwindigkeit angefahren, die Walddurchfahrt ist schwer einsehbar... Völlig ausreichend für die Ausnahmeregelung, mein Herr.«
    Harald konnte diese Borniertheit gar nicht fassen. »Aber da können doch die Autofahrer nichts dafür, dass vorher die hohe Geschwindigkeit erlaubt ist. Man schafft es hier gar nicht, von 120 sofort auf 60 herunterzubremsen.«
    Einen Moment lang glaubte Harald, einen Punktsieg
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