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Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers

Titel: Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers
Autoren: Lutz Schumacher
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blieben dennoch zum Zerreißen angespannt. Wo bitte war der nächste Blitzer?

    Hinter einer alten Scheune stand das Ortseingangsschild von Langenried. Den Starenkasten sah Harald sofort. Man hatte sich keine Mühe gegeben, ihn irgendwie zu verstecken, das Gerät stand mutterseelenalleine an der schnurgraden Ortsdurchfahrt. Harald beschleunigte wieder, da sah er den zweiten Kasten. »Das ist ja gemein«, murmelte er und überlegte, ob es vielleicht noch einen dritten gäbe. Gab es tatsächlich, und zwar direkt hinter dem zünftig geschmückten Rathaus, das gleichzeitig auch das größte Wirtshaus am Orte zu sein schien. Ein protziges Schild mit Goldverzierungen und Löwenwappen verkündete: »Langenried – gelebte Gastlichkeit«. Harald verspürte ein wenig Hunger, was eigentlich gar nicht sein konnte, wo das Frühstück doch höchstens eineinhalb Stunden her war. Er sah den vierten Blitzer und gleich dahinter den fünften. Ihm kam langsam so ein Verdacht. Es konnte doch unmöglich sein, dass ein kleines Kaff wie dieses fünf Radargeräte betrieb. So etwas kostete doch bestimmt eine Menge Geld, ganz abgesehen von dem Personal, das ständig die Filme herausnehmen und durchsehen musste.Als unmittelbar vor einem Zebrastreifen der sechste Kasten kam, hielt Harald am Straßenrand. Er hatte es zwar wirklich eilig, doch das hier musste ein für alle Male geklärt werden. Er stieg aus, um sich ein Bild zu machen. Schon beim Näherkommen wurde ihm alles klar. Dort wo eigentlich das Objektiv der Radarkamera herausragen sollte, steckte nur ein einfaches Plastikröhrchen. Der rote Schimmer des Radarauges war mit Farbe darauf gemalt. Die ganze Konstruktion des Kastens und des Pfostens bestand aus Holz, der metallische Glanz kam lediglich von der Lackierung. Harald lachte schrill los, bis ihn ein vorbeieilendes Mütterchen böse anfunkelte.

    »Was lachen’s denn so blöd?«, zischte die Alte.
    »Naja, das habt ihr euch ja fein ausgedacht. Schlitzohren seid ihr, ihr Langenrieder, was?«, feixte Harald und zeigte auf den Holzkasten.
    Das Mütterchen schielte nach oben und meinte dann hämisch: »Ganz ein Schlauer, was?«
    »Wenn ihr nur einen davon aufgestellt hättet, wäre ich vielleicht drauf reingefallen«, antwortete Harald selbstbewusst, »aber sechs Stück in einem Dorf, das nimmt euch keiner ab.« Er drehte sich um und ging zu seinem Wagen zurück.
    »Wirst schon sehen«, zischte die Alte und schaute ihm abschätzig hinterher. Aber das hatte Harald nicht gehört.
    Er startete stattdessen pfeifend den Motor und fuhr weiter. Diese Langenrieder wussten einfach nicht, wann Schluss ist, befand er, als gleich nach der nächsten Kreuzung die Starenkästen Nummer sieben bis elf auftauchten. Wenn man den Trick erst einmal kannte, konnte man auch aus dem Auto sehen, dass die Dinger nachgemacht waren. Harald gab Gas und fuhr an weiteren zwölf Attrappen vorbei, dann tauchte endlich das Ortsausgangsschild auf. Zum Abschluss ihrer Aktion hatten die Langenrieder direkt auf dem Schild auch noch einen Kasten montiert. Harald amüsierte sich prächtig und beschleunigte auf 100 Stundenkilometer. »Zapp.« Der Epremo wurde erneut für eine Millisekunde in blutrotes Licht getaucht. »Das gibt’s nicht, das darf doch nicht wahr sein«, schrie Harald. »23 Attrappen und auf dem Ortsschild steht ein echter Blitzer.« Herrje, was würde das für eine saftige Rechnung geben. Harald war sich nicht einmal sicher, ob ihn das nicht sogar einen Monat Führerschein kosten würde. In seinen Augen standen Tränen vor Wut.

    Es dauerte nicht lange, da erreichte Harald das nächste Dorf. »Bischofsried« stand auf dem Ortsschild, darüber prangte überdimensional »Zone 30 im ganzen Ort«. Harald ging vom Gas. »Nicht schon wieder«, flüsterte er vor sich hin, »nicht schon wieder.« Der Ort lag an einem Hang und schien sich kilometerlang hinzuziehen, wie Harald zu sehen glaubte. Das war eigentlich eine gute Gelegenheit, endlich einmal denTempomaten des neuen Wagens auszuprobieren. Harald schaute sich hilfesuchend nach dem Hebel um, dann dämmerte ihm, dass er die grässliche Sonne zu Hilfe rufen musste. Das war wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder er bekam in diesem Ort einen lahmen Fuß, weil er vorhatte, peinlichst genau 30 Stundenkilometer zu fahren. Oder aber die Sonne würde wieder Macht über sein Leben bekommen. Harald nahm sich ein Herz und drückte den Knopf für die Bordelektronik.
    »Guten Tag, hier ist das
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