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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
Autoren: Colette Livermore
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Essenz ihres Seins und ihrer Arbeit. Ihr geistiger Führer gab ihr die Schriften des Mystikers Johannes vom Kreuz zu lesen, und Mutter fand sich damit ab, dass dieses Gefühl des Verlassenseins Teil eines reinigenden, spirituellen Prozesses war, um ihr Ego abstreifen zu können. Ich hatte diese Werke 1981 während meiner Zeit in Kalkutta gelesen und mir daraus einzelne Abschnitte abgeschrieben.
    »Um Freude an allem zu erreichen, begehre, Freude zu haben an nichts! Um alles zu besitzen, begehre, nichts zu besitzen! Um alles zu sein, begehre, nichts zu sein! Um alles zu wissen, begehre, nichts zu wissen!« Der Schlachtruf des heiligen Johannes vom Kreuz war nada, nichts, und das war es, was Mutter in sich fand.
    Einen ähnlichen Kampf durchlitt die junge Theresa von Lisieux, Mutter Teresas Namenspatronin, vor ihrem frühen Tod an Tuberkulose. Beide Frauen führten Gottes Abwesenheit nicht auf natürliches Zweifeln zurück, sondern auf jene »dunkle Nacht der Seele«, während der der Leidende lernen muss, Gott nicht seiner Tröstung oder einer versprochenen Belohnung wegen zu lieben, sondern um seiner selbst willen. Als ich diese Artikel las, entstand in mir das
Bild von Mutter als einer überreizten, angespannten und gequälten Person, wie das Konzentrat aus einem psychologischen Dampfdrucktopf. Ein wenig menschlicher Trost und Entspannung hätten womöglich geholfen, aber sie erlaubte sich niemals eine Ruhepause.
    In Osttimor wuchs meine Distanz zur katholischen Kirche. Eine Statue der Heiligen Muttergottes von Fatima wurde als Werbung für die Unabhängigkeit durchs Land geflogen, aber eine solche Transportmöglichkeit wäre niemals für eine Frau auf die Beine gestellt worden, die in einem abgelegenen Dorf im Kindbett zu sterben drohte. Ich hörte, wie ein wohlhabender timorischer Bischof seine Gemeinde während einer Predigt dafür rügte, dass die heilige Kommunion aus Plastikgefäßen und nicht aus Kelch und Ziborium verteilt wurde. Er fand, Jesus, der sich entäußerte, um ein armer Mensch zu werden, müsse in Gold gefasst werden. Doch die wöchentliche Kollekte seiner verarmten Gemeinde brachte nie mehr als zehn Dollar ein. Vielleicht hätte der Bischof einen Kelch stiften sollen, da das Volk sich ganz gewiss keinen leisten konnte. Der heilige Johannes Chrysostomus lehrte: »Er, der sagte: ›Dies ist mein Leib‹, sagte: ›Ihr saht mich hungrig und gabt mir nichts zu essen.‹ Ehrt ihn, indem ihr euren Besitz mit den Armen teilt, denn was Gott braucht, sind nicht goldene Kelche, sondern goldene Seelen.«
    Ein Gemeindepriester hielt eine Predigt über die »Frau als Versucherin« und machte den Frauen Vorwürfe, die, wie er sagte, ihre Körper benutzten, um die Männer auf Abwege zu bringen. Er setzte keinen Kontrapunkt, erwähnte nicht das gewalttätige oder raubtierhafte männliche Verhalten.
Eine Woche zuvor hatte ich ein vierzehnjähriges Mädchen behandelt, das von sechs Männern vergewaltigt worden war, zwei davon seine Verwandten. Dann kam ein Edikt der Kirche in Dili, wonach ausländische Ärzte den katholischen Glauben des Landes respektieren und keine Verhütungsmittel verschreiben sollten. Ich hatte erst kürzlich eine junge Frau behandelt, von der ich glaubte, sie werde vor meinen Augen verbluten. Ich mühte mich verzweifelt, die Blutung zu stillen, und sie überlebte, aber als alles vorbei war, fühlte ich mich körperlich elend. Die zwischen den »ehelichen Rechten« ihres Ehemanns und den Gefahren einer isolierten, oft nicht begleiteten Geburt gefangenen Frauen brauchten andere Lösungen.
    Ich bewunderte die Arbeit und die Haltung der Schwestern des Maryknoll-Ordens, konnte mich selbst aber nicht mehr als Katholikin bezeichnen, obwohl ich noch immer in den Evangelien las, die mir Inspiration und Führung vermittelten. Ich ging nicht mehr zur Messe, dachte aber auf jede mir mögliche Weise an Gott.
     
     
    Nach zweijähriger Vorbereitungszeit war es an der Zeit, dass die von der UN geführte Interimregierung die Kontrolle über Osttimor an den noch vor der Unabhängigkeit gewählten Präsidenten Xanana Gusmao übergab.
    Am 20. Mai 2002 strömten die Menschen der umliegenden Dörfer in die Stadt, die Männer geschmückt mit Federkopfputz und silbernen Karibuhörnern, die Frauen in farbenprächtigen tais. Sie schlugen Gongs und Trommeln und tanzten und sangen dazu, während sie sich auf das Sportgelände zubewegten, wo die Feiern zum Unabhängigkeitstag
stattfinden sollten. In Erwartung dieses
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