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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
Autoren: Colette Livermore
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wir fuhren direkt zur Kirche. Ich umarmte Mama, die viel verletzlicher wirkte als jemals zuvor. Paul hielt zusammen mit einigen anderen Franziskanerpriestern die Messe, und Judys kleine Mädchen führten die Kollekte durch. Nach dem Begräbnis blieb ich bei Mama in deren Wohnung in einer Seniorenwohnanlage und unternahm mehrere Fahrten nach Sydney, bis ich einen neuen Pass bekam. Zum ersten Mal sah ich die Filmaufnahmen vom 11. September, die alle erschüttert hatten. Es kam mir unwirklich und unglaublich vor. Ich kaufte die Magazine Time und Newsweek und sammelte alle anderen Zeitungsausschnitte, die ich bekommen konnte, um sie den Schwestern mitzubringen.

    Mama hätte gern gehabt, dass ich bis Weihnachten bei ihr blieb, weil sie Toby, der sie um diese Zeit immer besucht hatte, dann besonders vermissen würde, aber ich war entschlossen zurückzukehren. Zudem schien sie wohlauf und mit ihrer Töpferei und Malerei, den Enkelkindern und einem großen Freundeskreis gut beschäftigt zu sein.
    Zurück in Osttimor erwartete mich eine Dürreperiode.
    In der zweiten Hälfte des Jahres 2001 waren wir aus unserer ausgebrannten Schule in die neu aufgebaute Klinik umgezogen. Die Eröffnungszeremonie fand am 13. Oktober 2001 statt, und Bischof Belo kam, um sie zu segnen, ebenso die Vertreter der Caritas Norwegens und der Caritas Neuseelands, die Hauptsponsoren der Klinik. Das Personal begrüßte die Würdenträger herzlich, Schulkinder tanzten in traditionellen Kostümen mit Schwertern, Gongs und Trommeln, und ein kleines Mädchen rezitierte feierlich die Geschichte, wie die Schwestern - nur Frauen, allein, alt, mit weißen Haaren - tapfer nach der Zerstörung von 1999 zurückgekehrt seien, um ihre Klinik und ihr Haus wieder aufzubauen. Trotz aller Not hatten die Schwestern, ein lebhaftes und mutiges Trüppchen, in Osttimor durchgehalten.
     
     
    Später im Jahr schickten mir meine Freundin Schwester Pat und eine Schwester vom Orden Our Lady of the Sacred Heart, die in Katherine arbeitete, zwei voneinander unabhängige Artikel von Albert Huart und J. Neuner aus der Review for Religious. Die Autoren, beides Jesuitenpriester, die Mutter spirituell gelenkt hatten, berichteten von privaten Briefen zur Gewissenserforschung, die Mutter Teresa in den Fünfziger- und Sechzigerjahren geschrieben hatte, und
in denen sie ihr Gefühl der Einsamkeit und des Verlassenseins und ihres Kampfes gegen die Zweifel an der Existenz Gottes zum Ausdruck brachte. Mutter hatte darum gebeten, ihre Briefe zu verbrennen, was auch mit vielen geschehen war, aber einige hatten überdauert. Sie schrieb: »Wenn ich versuche, meine Gedanken zum Himmel zu erheben, ist dort eine so überzeugende Leere … Man sagt mir, Gott liebt mich - aber die Wirklichkeit besteht aus Dunkelheit und Kälte …« Ich empfand ein seltsames Hochgefühl, als ich diese Artikel las.
    Sie hatte immer so sicher gewirkt, ja sogar dogmatisch, wenn sie mit mir sprach, und nie einen Zweifel zugegeben, aber diese Artikel offenbarten, dass Mutter »Dunkelheit, Kälte und Einsamkeit« erfahren hatte. Indem sie sich von aller menschlichen Liebe losgelöst hat, hatte sie versucht, sich mit ihrem ganzen Sein jeder Situation hinzugeben. Diese Anstrengungen hatten in ihr das Gefühl einer schrecklichen Leere und der Abwesenheit Gottes zurückgelassen, das sie, wie sie fürchtete, aus dem Gleichgewicht bringen würde. »Ihre Fröhlichkeit war ein Deckmantel für ihre Leere und ihr Elend.« Sie trug eine tiefe Einsamkeit in sich, und es bekümmerte sie, wenn Menschen ihr sagten, sie fühlten sich angesichts ihres »starken Glaubens« Gott nah. Sie fragte sich, ob sie womöglich die »Menschen täusche«. Sie hätte ihnen gern »die Wahrheit gesagt - dass ich keinen Glauben habe«, schwieg aber. Sie hatte das Gefühl, Jesus lasse sie allein durchs Dunkel gehen.
    1959 schrieb Mutter Vater Picachy, ihrem Beichtvater, dem späteren Kardinal von Kalkutta, von ihrem Kampf. Sie habe »so viele unbeantwortete Fragen«, jedoch »Angst,
diese aufzudecken - wegen der Blasphemie«. Sie betete: »Wenn es einen Gott gibt, möge er mir bitte verzeihen.«
    Mutter starb als gläubige Frau. Sie hatte Angst, Gott könnte nicht existieren, in der Praxis jedoch schaltete sie diesen Gedanken aus, beichtete und tat Buße, um sich von diesen verstörenden Ideen zu befreien. Mutter Teresa musste eine Gläubige bleiben, dazu gab es keine Alternative. Der Glaube an Gott und das Bekenntnis zur katholischen Kirche waren die
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