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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
Autoren: Colette Livermore
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Anlasses kaufte ich mir auf dem Markt eine Trommel babadok und nahm bei meinem Nachbarkind Carlos Unterricht, der mich allerdings für rhythmisch minderbemittelt hielt. Die Frauenkooperative vor Ort schmückte mich mit einem tais, mit dem Kopftuch konnte ich mich allerdings nicht anfreunden. Am Abend des Unabhängigkeitstags - ein Pfingstsonntag - fand eine besondere Messe statt, die gleichzeitig in allen Kirchen des überwiegend katholischen Landes abgehalten wurde. Die zuständigen Behörden in Dili verlangten allerdings, dass die Messe auf Portugiesisch und nicht im landesüblichen Tetun gehalten wurde, und so wurde die Feier eine ziemliche Enttäuschung. Der Priester, der fließend Tetun und Indonesisch sprach, hatte Schwierigkeiten, das Evangelium auf Portugiesisch zu lesen, und die Menschen waren ungewöhnlich leblos, weil bis auf einige alte señoras in der ersten Reihe keiner die Sprache verstand. Am Ende der Messe segnete der Priester die Fahne und überreichte sie Donna Maria Pas, der Distriktverwalterin. Ihr liefen Tränen übers Gesicht, als sie die rot-schwarzgelbe Flagge von Osttimor an Manaloi, den katuas oder Ältesten, überreichte, damit er sie bis Mitternacht bewachte, denn erst dann sollte sie gehisst werden.
    »Viva Timor Loro’sae! - Lange lebe Osttimor!«, verkündete der Priester.
    »Viva!«, rief die Gemeinde unter Tränen und Umarmungen. Es war ein ergreifender Moment der Hoffnung nach jahrelangem Kampf und Mangel. Auch die Schwestern des Maryknoll-Ordens waren in Tränen aufgelöst, denn sie hatten die Menschen schließlich durch die Jahre der
Angst und Einschüchterung begleitet. Schwester Susan, die im Jahr zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte, hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten, als die Leute sich um sie scharten, um sie zu umarmen. Unglücklicherweise weilte Schwester Dorothy in den Vereinigten Staaten und verpasste die nächtliche Feier, die bis in den Vormittag des nächsten Tages dauerte, als um elf Uhr die offiziellen Unabhängigkeitsfeiern begannen.
    Die portugiesischen Friedenswächter bewirkten ein kleines Wunder, indem sie es schafften, eine Satellitenschüssel aufzutreiben, mit deren Hilfe wir auf dem Fußballfeld von Aileu die Unabhängigkeitsfeier in Tasi Tolu, wörtlich Drei Seen, ein Gebiet am Stadtrand von Dili, als Direktübertragung sehen konnten. Während wir die Livesendung aus der Hauptstadt anschauten, erklang in Aileu der lange tiefe Laut der Karibuhörner, und Trommler verkündeten das Eintreffen von zweihundert traditionell gekleideten Kriegern aus dem Ort, die ihre neue Flagge von Timor Loro’sae auf das Fußballfeld trugen. Die timorische Polizei senkte respektvoll die UN-Flagge, und um Schlag Mitternacht im Einklang mit den Feiern in Dili sang die Menge zusammen mit Schulchören die neue Nationalhymne von Osttimor, während die neue Nationalflagge zum ersten Mal gehisst wurde. Es war ein sehr emotionaler Augenblick. Die ganze Nacht hindurch wurde getanzt und gefeiert, während die Krieger um die Fahnenstange bis zum Morgen Wache hielten und auf diese Weise ihre mühsam erkämpfte Unabhängigkeit sicherten.
    Es dauerte nicht lang, bis die Probleme der neuesten Nation der Welt sich bemerkbar machten, aber allein um dieser
Nacht willen schienen sich die langen Jahre des Kampfes gelohnt zu haben.
    Portugiesisch wurde als Staatssprache festgelegt, obwohl nur eine Minderheit der meist älteren Menschen sie sprach. Es gab Probleme mit Wasser, Strom, medizinischer Versorgung, Jugendbanden, die in Dili randalierten, und Auseinandersetzungen mit Australien über Öl- und Gasrechte. Die Menschen hatten jedoch das Gefühl, dass es sich ohne Unterdrückung besser leben ließ.
    Ich arbeitete weiterhin in der Klinik, besuchte Patienten, organisierte Schwangerschaftsbetreuung, half beim Ernährungsprogramm für die TB-Patienten und unterernährten Kinder, leistete Geburtshilfe und leitete die abgelegenen Ambulanzkliniken. Einmal wurde ich mit ärgerlich schwammigen Angaben zu einem Kranken gerufen, überbracht von einem Jungen auf einem Fahrrad. Ich sollte nach einem Kind in einem Dorf am Rande von Aileu sehen. Es war gegen zwei Uhr nachmittags, und ich war gerade auf dem Heimweg zum Mittagessen. Der Bote wusste den Namen des Kindes nicht und hatte auch nicht die leiseste Ahnung, worunter es litt, wusste aber, wo der Junge wohnte. Da es in Strömen regnete, lud ich das Fahrrad auf meinen Pick-up, und wir fuhren los. Er brachte mich zu einer sehr düsteren Hütte mit
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