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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
Autoren: Colette Livermore
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mehr an die Evangelien glaubte, sah ich in ihnen doch eine Anleitung, wie man sein Leben führen sollte, ein Destillat menschlicher Weisheit, doch ich begann nun selbst, dies anzuzweifeln. Ich konnte Mutter Teresas »Leben in vollkommener Hingabe« oder den Rat der Evangelien, dem zu geben, »der dich bittet« (Matthäus 5, 42), nicht leben, fragte mich aber, ob bedingungslose Liebe und Vergebung möglich waren oder ob sie das Individuum, das diesen Weg zu leben versuchte, vernichteten und zu einem Fußabstreifer machten.
    Ich handelte immer noch nach dem Prinzip der MN, wonach das Leben mir etwas abverlangte, und ich verfügte auch über die Kraft und die Fähigkeit dazu. Man hatte
mich gelehrt, »um nichts zu bitten und nichts zu verweigern«, »mit einem Lächeln zu nehmen, was immer Er gibt, und zu geben, was immer Er nimmt«. Diese Ratschläge waren im Kontext eines streng kontrollierten religiösen Lebens erteilt worden. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Kraft Gottes zur Verfügung stand. Wenn ich nicht zurechtkam, machte ich etwas falsch. Und obwohl ich meinen Glauben verloren hatte, handelte ich immer noch unter der Voraussetzung des Glaubens: »Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht« (Philipper 4,13).
    Der große Hymnus des heiligen Paulus besagt, dass alles heroische Auftreten und sich selbst auferlegte Handeln sinnlos sei, sofern es nicht in der höflichen Liebe geschehe, die »langmütig und freundlich« ist (1.Korinther 13,4). Ich hatte noch keinen Weg gefunden, der mich vor Überarbeitung bewahrte.
     
     
    Im Oktober 2002 war Captain Rodney Cocks, ein in Aileu stationierter australischer Militäroffizier der Vereinten Nationen, auf Urlaub in Bali. Er hatte gerade Paddys Bar verlassen, um ein Internetcafé aufzusuchen, als es hinter ihm eine Explosion gab und sämtliche Lichter ausgingen. Bald darauf gab es eine zweite, stärkere Explosion. Er rannte zurück in den Sari Club und suchte in dem dunklen, rauchigen Chaos nach seinen Kameraden, die er gerade erst verlassen hatte, und traf auf eine junge Balinesin. Obwohl der größte Teil ihres Körpers verbrannt war, lebte sie noch. Er blieb bei ihr und konnte auch eine Ambulanz für sie auftreiben, die sie ins Krankenhaus brachte, wo man um ihr Leben kämpfte. Viele verkohlte Leichen lagen um ihn herum.
Unter ihnen war einer der portugiesischen Friedenswächter aus Aileu. Es war unbegreiflich, dass diese Dinge im Namen Gottes geschehen konnten, aber die Geschichte ist übersät mit ähnlichen Akten religiöser Gewalt. Nachdem ich davon gehört hatte, dachte ich: Glauben hat Konsequenzen. Eine Wahrheit ist nicht gleich der anderen. Es ist besser, sich auf das zu beschränken, was man wissen und beweisen kann, als schreckliche Fehler in Gottes Namen zu riskieren.
    Ich hatte vorgehabt, 2003 für ein weiteres Jahr in Osttimor zu arbeiten, aber Judy schrieb mir in einer E-Mail, dass es Mama schlecht gehe und der Arzt sie darum gebeten habe, ihren Führerschein abzugeben, weil er davon ausging, dass sie an Alzheimer erkrankt war. Sie hatte ihre Handtasche verloren, vergessen, den Herd auszumachen, und konnte sich nicht mehr erinnern, wie sie von den Geschäften zurück nach Hause kam, ein Weg, den sie Hunderte Male zurückgelegt hatte.
    Bereits einen Monat später brach ich einigermaßen abrupt auf. Der Abschied von den Schwestern fiel mir schwer, da ich drei Jahre in Osttimor gewesen war und ich sie als Teil meiner Familie ansah.
    Wieder zurück in Australien, fiel es mir schwer, mich an das »normale« Leben zu gewöhnen. Es ist so einfach, heiße Duschen, Kühlschränke, Wasser aus dem Wasserhahn, zuverlässige Elektrizität, Supermärkte voll frischer Lebensmittel als gegeben hinzunehmen, aber gleich nach meiner Rückkehr fand ich das alles wunderbar.
    Meine Schwester war mit ihren vier Kindern an die Central Coast gezogen, und Mama besaß ein Apartment für Selbstversorger in einer Seniorenwohnanlage in Bateau
Bay, New South Wales. In diesem Komplex gab es zwei Stufen der Pflege - die Wohneinheiten für die, die noch selbstständig für sich sorgen konnten, und einen Wohn-/Pflegebereich, wo die Bewohner mit Mahlzeiten und der jeweils benötigten Pflege versorgt wurden. Wegen ihres nachlassenden Erinnerungsvermögens fiel es Mama schwer, zu kochen und einzukaufen, und sie beschloss deshalb, aus ihrem Apartment aus- und in den Wohn-/Pflegebereich der Seniorenanlage einzuziehen. Judy und ich halfen ihr beim Umzug, aber es war nicht leicht,
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