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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
Autoren: Colette Livermore
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Weinreben gediehen hinter dem Haus mit süßen weißen und roten Trauben, die über ein rechteckiges Gestell gezogen waren und so einen Außenraum und Schattenplatz schufen. Im Sommer war es dort kühl und schattig, und im Herbst wurde daraus ein bunter Blätterteppich. An den Wochenenden kümmerte Bill sich um seine Obstbäume und seinen Garten.
    »Möchtest du für mich den Traktor steuern?«, rief er, während er sich am Schuppen seine Gummistiefel anzog. Wenn die Bewässerungspumpe erst mal stotternd zum Leben erweckt war, schäumte Wasser wie flüssige Schokolade durch die Kanäle, die wir gegraben hatten. Es machte mir großen Spaß, hinten auf seinem Kleintransporter zu sitzen, wenn wir zum Schwimmen oder Angeln an den von Eukalyptusbäumen gesäumten Murrumbidgee-Fluss fuhren. Ich genoss es, den Wind in meinen Haaren zu spüren, und manchmal fing ich auch eine Forelle oder einen Wels, aber meistens verfing sich meine Angelschnur in einem Ast unter Wasser.

    Unserem Haus gegenüber lag die Gemeindewiese, auf der die Jackson-Jungs Fußball spielten. Dort wurde auch alljährlich am 12. Juni, in der Cracker Night, die mit Mamas Geburtstag zusammenfiel, ein Freudenfeuer entzündet. Die Flammen züngelten brüllend nach oben und warfen einen Funkenregen in den Nachthimmel. Römische Lichter, Kanonenschläge, Chinaböller, Raketen und Wunderkerzen knallten, wirbelten, krachten und rauschten himmelwärts.
    Im Busch neben diesem gerodeten Gebiet schimmerte und schillerte das rosa Gefieder prächtiger Vögel. Jungs vom oberen Teil der Straße machten mit Steinen und Armbrüsten Jagd auf sie. Ich fragte mich, warum sie solch schöne Geschöpfe töten wollten. Den Keilschwanzadlern sah ich gerne zu, wenn er am Himmel kreiste, und ich war am Boden zerstört, wenn sie von unwissenden Menschen, die Angst vor ihnen hatten, getötet und an den Zäunen aufgehängt wurden.
    Bekleidet mit meinem breitkrempigen Schulstrohhut und mit meiner Büchertasche unterm Arm machte ich mich auf meinen langen Schulweg, der über einen schmalen Pfad durch Weingärten, über den Bewässerungskanal an der Reismühle und an Bills Werkstatt vorbei in die Stadt führte. St. Joseph’s Primary School lag auf der anderen Seite der Eisenbahnlinie, ein paar Straßen unterhalb der Überführung. Das Auto hatte Papa, und es gab keine Buslinie in unsere Gegend.
    Mein Vater war weitgehend abwesend, was mir ganz angenehm war, denn in seiner Gegenwart empfand ich immer etwas Angst. Wenn er spätnachts aus dem Bowlingklub
nach Hause kam, pflegte er die Einnahmen am Fußende des Betts meiner schlafenden Mutter fallen zu lassen. Erwartungsgemäß wurde sie davon wach, um sie zu zählen und die Buchführung zu machen, damit diese für den nächsten Tag fertig war. Papa schlief immer bis zehn Uhr morgens und fuhr dann mit quietschenden Reifen und in einer Staubwolke zur Arbeit. Selbst an den Wochenenden sahen wir ihn kaum.
    Wenn meine Eltern sich im Haus anschrien, kauerte ich mich mit meinen Brüdern vor dem Haus zusammen. Mama wollte, dass er weniger von seinem Lohn im Klub ausgab. Ich sorgte dafür, dass die Jungs ruhig blieben und Ärger aus dem Weg gingen. Mama war eine fröhliche, schwatzhafte Person, die für ihre Einkäufe eine Ewigkeit brauchte, weil sie mit jedem sprach, der ihr über den Weg lief. Ihre Kinder schützte sie wie eine Löwin, ließ aber um des lieben Friedens willen zu, dass Papa sie schikanierte. Während des Kriegs hatte Papa in Burma und Neuguinea gekämpft, und das hatte womöglich Spuren hinterlassen. Der ANZAC-Kampftag war mir immer verhasst, weil Papa dann noch mehr trank als sonst.
     
     
    Bald sollte Mama ihr fünftes Kind bekommen. Papa setzte sie einfach auf den Stufen des Leeton Hospitals ab, als bei ihr die Wehen einsetzten. Doch als wir alle von Judys Geburt hörten, schien auch Papa sich zu freuen, denn er sprang auf den Tisch, um zu feiern. Ein paar Wochen später jedoch hörte ich ihn und einen anderen Mann eine lautstarke Auseinandersetzung führen. Damals begriff ich noch nicht, worum es ging, aber Papa hatte eine Affäre mit
der Frau des zornigen Besuchers gehabt, während Mama schwanger war. Bald darauf verließ Papa uns.
    Ich weinte, als Mama sagte, wir müssten Leeton verlassen und zu ihren Eltern nach Nowra ziehen, einer Stadt am Ufer des Shoalhaven-Flusses an der Südküste von New South Wales. Warum wir wegziehen mussten, verstand ich nicht, aber Mama meinte, es wäre nicht rechtens, weiterhin bei Bill zu
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