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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
Autoren: Luanne Rice
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denn endlich?«, fragte Jenna.
    »Sie müssen jede Sekunde hier sein«, erwiderte Mickey.
    »Mann, du surfst wirklich spitze«, sagte Tripp zu Shane.
    »Geht so«, meinte Shane bescheiden.
    »Machst du das schon lange?«
    »Seit ich denken kann.«
    »Muss Spaß machen.«
    »Ja, sehr.«
    Mickey lächelte und Jenna und sie sahen sich an. Sie hatten zusammen Vögel beobachtet, seit sie denken konnten, und wenn die turbulenten Ereignisse sie eines gelehrt hatten, dann dies: Man war nie zu alt für die Dinge, die man liebte.
    Gleich darauf hörten sie den Truck und liefen den Strand hinauf, Joe, Tim und Neve entgegen. Tim und Shane hoben den großen Käfig von der Ladefläche. Mickey dachte an den Abend zurück, als Mr. O’Casey ihn im Schuppen der
Rangerstation ausgegraben hatte – angefüllt mit Spinnweben und toten Motten. Sie hatten den Käfig benutzt, um die verletzte Schneeeule zur Raubvogel-Auffangstation zu schaffen, und heute brachten sie sie an den Strand zurück – zu dem verwitterten Treibholz, das ihr hoffentlich als Startbahn dienen würde, als Sprungbrett für den Heimflug nach Norden, in die Arktis.
    »Großer Gott«, rief Jenna, als sie in den Käfig blickte. »Das sind ja zwei.«
    »Unser Schneeeulen-Männchen hat sich eine Gefährtin zugelegt«, sagte Mickey.
    »Sie war ebenfalls schwer verletzt«, erklärte Joe Jenna und Tripp. »Ich habe sie ein Jahr lang gepflegt, und sie kann erst seit dem Frühjahr wieder fliegen.«
    »Weil sie ihre große Liebe gefunden hat. In unserem Schneeeulen-Männchen«, fügte Mickey hinzu.
    »Richtig«, sagte Neve. »Und das war für beide die Rettung.«
    Mickey blickte Tim und ihre Mutter an. Sie hielten sich an den Händen, standen am Strandweg wie zwei Teenager. Manchmal schmerzte es sie noch, dass ihre Mutter mit jemand anderem glücklich war als ihrem Vater. Und es tat ihr weh, dass ihr Vater wieder einmal verschwunden war.
    Sie sah, dass Joe sie beobachtete. Warum hatte sie das Gefühl, dass er ihre Gedanken lesen konnte? Es war, als würde er ihren Vater von der besten und von der schlechtesten Seite kennen und sie ermutigen, ihn so zu lieben wie er war – vor allem den Helden, dem es gelungen war, U-823 für Rhode Island zu bewahren.
    Ohne deinen Vater hätten wir es nicht geschafft, hatte er zu ihr gesagt, als die Entscheidung bekanntgegeben wurde. Er blickte sie mit liebevoller Strenge an, als wäre er ihr Großvater. Sie spürte, dass er sie darin bestärken wollte, Vertrauen zu haben, Kraft zu beweisen, das Beste in ihrem Vater zu sehen. Er hatte ihr ein Bild seines Bruders gezeigt, als sie beide noch klein waren, und eine sepiafarbene Fotografie von einem Bauernhaus und eine Landkarte aus den vierziger Jahren, der Besatzungszeit, in der die Berge unweit von Elsass-Lothringen verzeichnet waren.
    »Damiens Tochter Aimée hat mich einmal gebeten, ihr etwas über ihren Vater zu erzählen«, hatte er gesagt. »Um zu erklären, was für ein Mensch er war.«
    »Was haben Sie gesagt?«, fragte Mickey, die sich wünschte, er oder jemand anderes könnte für sie das Gleiche tun.
    »Ich habe ihr gesagt, dass es eine Liebesgeschichte sei. Eine schwierige, die kein glückliches Ende genommen hat. Sie handelt von der Tapferkeit ihres Vaters und dem Mut einiger Frauen, die auch dann noch an das Gute im Menschen glaubten, als die Welt ringsum im Untergang begriffen war.«
    »Wie hat sie reagiert?«
    »Sie blieb nicht lange genug, um sie zu hören. Sie ging fort an diesem Tag, und ich habe sie seither nie mehr wiedergesehen. Deshalb wartet die Geschichte immer noch darauf, erzählt zu werden. Sie klingt wie ein Märchen, ist aber so wahr wie jede andere Geschichte, die ich kenne.«
    »Vielleicht kommt sie doch eines Tages wieder«, hatte Mickey geflüstert. »Wie viel Zeit auch vergehen mag, er ist und bleibt ihr Vater.«
    Joe hatte genickt und sie angeschaut, als sei sie sehr weise. Davon verstand sie nichts, aber sie wusste, was Liebe bedeutete. Sie spürte sie, empfand sie für alle Anwesenden, hier und jetzt, und für ihren Vater, wo immer er auch stecken mochte. Die Liebe war wie eine unsichtbare Nabelschnur, die einen zeitlebens mit den Menschen verband, die man liebte.
    Als sie zusah, wie Tim und Shane den Käfig zum Strand trugen, fiel ihr auf, dass es inzwischen viel länger hell blieb. Es war fast sieben, und die Sonne ging gerade erst hinter dem Dickicht unter. Das schwindende Licht des Tages breitete sich auf den Kiefern aus, verlieh den spitzen grünen
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