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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
Autoren: Luanne Rice
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Meeresgrund herrührten, den Propeller, der halb im Sand vergraben war, und das Ruder, zusammengebrochen unter dem Rumpf.
    Shane schwamm vorsichtig neben ihm. Sie machten Fotos aus allen Blickwinkeln. Der junge Mann war ein guter Taucher; er beherzigte die Ermahnungen seines Mentors, hielt sicheren Abstand zu Netzen und Wrack. Mit einer einzigen Ausnahme: Als sie über dem Kommandoturm schwammen, streckte Shane die Hand aus, um das Periskop zu berühren.
    Was mochte der Junge denken? Dankte er dem U-Boot für die wunderbaren Wellen, die es hervorrief, die sagenhafte Brandung, auf der er – und sein Vater vor ihm – gesurft hatten? Oder stellte er sich vor, wie Oberleutnant Kurt Lang durch das Periskop blickte und Commander Joseph O’Casey beobachtete, als dieser gnadenlos zurückschlug, für sein Schiff und sein Land kämpfte? Dachte er an die zahlreichen Verluste, die vielen Toten, den Weg der Zerstörung, der nie zu enden schien? Dachte er an Frank?
    Denn Tim dachte an ihn. Während er auf U-823 tauchte, konnte er seinen Sohn an seiner Seite spüren. Jeder Flossenschlag wirbelte Schlick auf, verschlechterte die Sicht. Er dachte an die Sandstürme, die Frank in seinem Brief erwähnt hatte, an den Sand im Zelt, die Melodien des Strandes. Als er seinen eigenen Atem in den Ohren rauschen hörte, stellte er sich vor, es sei Franks.
    Er bedeutete Shane zu warten, er würde noch ein wenig tiefer tauchen. Der Junge zögerte. Aber Tim gab ihm zu verstehen, dass er gleich zurück sein würde, und Shane glitt zu der Ankerleine, hielt sich fest und wartete.
    Das Geräusch seines Atems war nun so laut und konstant, dass er nicht umhin konnte sich einzubilden, es sei Franks. Er wusste, dass der Atemregler diese Geräusche erzeugte, aber er stellte sich vor, dass Frank, eingeschlossen in seinem Panzer unter Wasser, es ähnlich empfunden haben musste.
    Sein Vater hatte ihn gebeten, die Medaille auf dem Wrack zu plazieren. Er tauchte weiter nach unten, bis dicht über den Kommandoturm, und griff durch die Netze. Er erinnerte sich, dass er Neve noch vor wenigen Stunden Franks Karte gezeigt hatte. Die Zeichnungen und die Zeilen seines Sohnes, den letzten Brief, den er geschrieben hatte. Als er sich nun über U-823 befand, das Wasser trüb von Schlick und Rostpartikeln, wusste er, dass er in Franks Sinn handelte, dass er es so gewollt hätte.
    Er dachte an Neve und ihre Liebe. Er dachte an all die Frauen, die ihre im U-Boot eingeschlossenen Männer geliebt hatten. An die Mütter, Töchter und Freundinnen, die zu Hause warteten, jenseits des Ozeans. An Beth, die Frank über alle Maßen geliebt hatte, und an alle Mütter, die ihre Söhne in dem Wrack verloren hatten. Er dachte an seine eigene Mutter, die seinem Vater in guten wie in schlechten Tagen die Treue gehalten hatte, und an die Frau und die Töchter seines Onkels, die auf ihre Weise ebenfalls Opfer des Krieges waren.
    Als er nach unten blickte, durch die Fischernetze und die starke Strömung, stellte er sich den ehemaligen Feind seines Vaters vor, Oberleutnant Kurt Lang. Er erinnerte sich an seine Zeit als Sanitäter in Vietnam, an die Männer, die er retten konnte, und die anderen, die ihren Verletzungen erlegen waren. Sein Einsatz im Krieg schuf einen Bezugsrahmen, der ihm nachzuempfinden ermöglichte, was Kurt Lang – ein blutjunger Mann, der so viel Verantwortung getragen hatte und so früh sterben musste – und die Männer durchgemacht hatten, die seinem Befehl unterstanden.
    »Für dich, Kurt«, sagte Tim.
    Dann öffnete er die Hand und sah zu, wie die silberne Medaille nach unten trieb, auf dem von Moos und Rankenfußkrebsen verkrusteten Wrack des U-Boots landete. Wie konnte jemand so vermessen sein, dieses U-Boot zu heben, das eine Grabstätte war? Er schloss die Augen, sprach ein Gebet für die Toten. Für jeden Einzelnen: den Oberleutnant und seine Männer, für die Familien, die sie hinterlassen hatten, für seinen Vater und die Besatzung der USS James . Und für den tapferen jungen Mann, der fern der Heimat, in fremden Gewässern und in einem anderen Krieg sein Leben verloren hatte: für Frank.
    Tim erschrak, als er einen Stoß gegen die Schulter verspürte. Es war Shane, die Augen hinter seiner Maske zutiefst beunruhigt. Vermutlich hatte er befürchtet, Tim habe sich in den Netzen verfangen. Langsam zog Tim seinen Arm zurück und bedeutete ihm, dass alles in Ordnung war.
    Dann warf er einen letzten Blick auf U-823. Die Medaille seines Vaters war bereits von
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