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Wenn Die Nacht Beginnt

Wenn Die Nacht Beginnt

Titel: Wenn Die Nacht Beginnt
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Dank«, sagte ich kalt.
    »Sehen Sie, es tut mir Leid. Gott, ich hab vielleicht Nerven, Ihnen zu erzählen, was normal ist. Ich glaube, ich habe keine zwei normalen Worte gesagt, seit ich Sie kennen gelernt habe. Die Wahrheit ist, mir gefällt Ihr Jeff Holtz nicht sehr. Ich habe meine Gründe. Oder vielleicht auch nicht. Ich weiß nicht.«
    Die schmerzhafte Ehrlichkeit in seiner Stimme durchfuhr mich. Wie hatte ich diesen Mann vorhin normal nennen können? Ich konnte ihm auf seine Äußerung nur antworten:
    »Dann geht es Ihnen wie mir.«
    Einen Moment lang war es schwierig, in seinem Gesicht zu lesen. Dann wurde es von etwas überzogen, das wie Erleichterung ausgesehen hätte, wenn das nicht zu absurd gewesen wäre. »Sie sollten nicht hier bleiben. Lassen Sie sich von mir heimfahren.«
    »Und Jeffrey unterwegs begegnen? Das wäre das Schlimmste, was ich machen könnte, glauben Sie mir. Ehrlich, das Beste, was Sie tun können, ist, hier zu verschwinden.«
    Es schien mir, als ob er mich eine Ewigkeit lang ansah.
    Er gab mir die Hand. »Na gut. Ich werde Sie nicht mehr beunruhigen. Wenn Sie irgendetwas brauchen, wissen Sie, wo Sie mich finden.«
    »Vielen Dank.«
    Nachdem er gegangen war, erwartete ich, freier atmen zu können, aber ich stellte fest, dass ich fast gar keine Luft mehr bekam.
    Als Jeffrey zurückkam, lag ich allein und flach unter einer weiteren heißen Kompresse. Er untersuchte meine Wunde, schmierte sie mit etwas ein und machte sich daran, unsere Angelausrüstung zusammenzusammeln – alles, ohne zu sprechen. Er reichte mir schwere Gummistiefel, zwei Paar Socken und einen dicken Wollpullover.
    »Brauche ich das alles? Wenn es so kalt wird, gehe ich vielleicht lieber nicht mit.«
    »So kalt wird es nicht.«
    Ich sagte nichts mehr.
    Gerade, als wir zur Tür hinausgingen, nahm Jeffrey mein Kinn in seine Hand und lächelte mich an. »Wir haben gar nicht das ganze Wochenende gebraucht, nicht? Es war alles in Ordnung zwischen uns, stimmt's?«
    »Ja, stimmt.«
    »Ich bedaure solche armen Teufel wie Blake. Komm.«
    Die Sonne stand hinter den Bäumen, als wir zum Boot gingen. Aus dem Augenwinkel heraus konnte ich sehen, wie in Peter Blakes Hütte eine Lampe anging. Wir paddelten in die Richtung, in die Jeffrey vorher gefahren war, und ich fragte mich törichterweise, ob Peter uns beobachtete. Nein. Warum sollte er auch? Und selbst wenn, wir waren im Nu um die Biegung und weg.
    Jeffrey fand die Stelle, nach der er gesucht hatte. Er spießte einen Wurm auf meinen Haken und warf ihn für mich aus. Wir saßen schweigend da, während es kalt und dunkel wurde, bis mir schließlich die Schatten Mut machten.
    »Jeffrey, du hast Recht. Wir brauchen nicht das ganze Wochenende. Es steht nichts zwischen uns. Warum fahren wir nicht noch heute heim?«
    Schweigen.
    Ich bewegte mich nicht und atmete nicht.
    »Du machst dir doch nicht noch immer Sorgen wegen dieser albernen Wunde.«
    »Nein, natürlich nicht. Ich möchte einfach gerne heimfahren.« Ich versuchte ein Lachen. In der Düsternis klang es unecht. »Sehen wir den Tatsachen ins Auge, ich kann nur begrenzte Zeit ohne meinen Haartrockner leben. Und, gib's doch zu, wäre nicht ein schönes, heißes Bad jetzt sehr angenehm?«
    »Wunderbar. Aber es kann bis morgen warten.«
    Ich gab auf.
    Das Schweigen wurde länger.
    »Sollten wir nicht zurückfahren?«, fragte ich nach einer Weile. »Der Wind scheint aufzufrischen.«
    »Gut. Ich locke die Fische an.«
    »Also, es ist schrecklich kalt.«
    »Wir rudern um die Spitze, dann sind wir aus dem Wind.«
    Ich hörte seine Leine zischen, als er sie einholte, und ich holte meine auch ein. Jeffrey nahm mir die Angelrute ab und verstaute sie am Boden des Kanus. Er gab mir mein Paddel. Es muss eine halbe Meile über den See gewesen sein, und es war inzwischen so dunkel, dass ich kaum die Bäume am Ufer erkennen konnte. Die kurzen, unregelmäßigen Wellen schlugen jetzt laut gegen das Aluminiumkanu und übertönten jedes Geräusch, das unsere Paddel machten. Als wir um den Vorsprung herumfuhren, fiel mir als erstes auf, dass Peter Blakes Licht nicht mehr da war. Als zweites bemerkte ich, dass der Wind hier schlimmer war. Er pfiff durch meinen schweren Pullover und brachte das Kanu gefährlich zum Schaukeln.
    Ich drehte mich um. »Jeffrey, lass uns zurückfahren. Ich hab genug, du nicht?«
    »Ja, ich glaube, ich habe auch genug.«
    War irgendetwas mit seiner Stimme nicht in Ordnung? Ich war nicht sicher, aber plötzlich wollte ich mehr
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