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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
Autoren: Sandra Andrea Huber
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machte keine Anstalten irgendetwas zu tun oder zu sagen. Es kam ihr vor, als müsse er sich sammeln.
    Mit bebenden Händen zog sie den Mantel eng um ihren zitternden Körper, rührte sich ansonsten jedoch keinen Zentimeter. Sie war sich nicht mehr bewusst, wie man die Füße bewegte. Noch, ob sie jetzt so einfach wegrennen sollte – oder konnte.
    Schließlich wandte sich der Unbekannte um, tat einige gemächliche Schritte auf sie zu, ehe er etwa einen Meter von ihr entfernt zum Stehen kam. Sein Blick heftete sich unmittelbar auf ihr Gesicht. Sein Atem kam und ging ruhig, aber dennoch extrem intensiv.
    So viel sie erkennen konnte, zeichneten sich auf seinem Gesicht weniger Anstrengung und Erschöpfung, sondern mehr eine Art von aufgebrachtem und bebendem Orkan ab. Sie hatte das Gefühl, als bemühe er sich angestrengt um eine gebändigte Fassung und eine kontrollierte Mimik. Sie wusste nicht, ob sie sich sicher oder panisch fühlen sollte. Ein seltsamer Hauch von Vertrautheit wogte in ihr und verstärkte diesen ungewissen Gemütszustand mit noch mehr Verwirrung und Irritation.
    Die Stimme des Fremden klang durch die dunkle Stille, sodass etwas in ihr in Schwingung versetzt wurde. „Also ein wenig wirkt das Ganze schon wie ein Déjà Vu, finde ich. Ich bin wirklich dafür, dass du künftig nur noch mit Pfefferspray vor die Tür gehst. Oder nur noch in Begleitung von mir. Was wäre dir lieber – und mit weniger Selbstgefährdung verbunden, Gweny? Chemische Keule oder meine Wenigkeit?“ Seine Stimme war rauchig und leicht heiser, als ob sie unter der Oberfläche beben würde.
    Ihr Verstand schien, als würden ihn die geballte Verarbeitung der jüngsten Ereignisse und die Konfrontation mit diesem Mann gleich zum Bersten bringen. In ihrem Inneren rasten Gefühle und Gedanken chaotisch und ungreifbar durcheinander, drängten preschend weiter und weiter in eine bestimmte Richtung, um sie zu einer Erkenntnis gelangen zu lassen, die offenbar bereits irgendwo in ihr auf sie wartete.
    Indes kam kein weiteres Wort über die Lippen ihres Gegenübers. Er sah sie einfach nur unverwandt an und wartete.
    Dann endlich floss die erlösende Erkenntnis wie heiße Glut durch ihren Körper. Dieser Mann war kein Unbekannter. Dieser Mann war der Mensch nach dem sie die letzten Jahre verzweifelt gesucht hatte. Dieser Mann war der Mensch, den sie sich die letzten Jahre schmerzhaft an ihre Seite gewünscht hatte.

***
      
    Nick …?!“ Mit einer Stimme, die sie nicht als die Ihrige wiedererkannte, brachte sie die Laute bebend hervor.
    Er überbrückte den letzten Zwischenraum, nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und sagte: „Ja. Ich bin’s. Ich bin hier. Alles ist gut. Keiner von den beiden wird dir nochmals zu nahe kommen oder dich je wieder anrühren … Du bist in Sicherheit, Gweny.“
    Sie sah tief in jene Augen, die sie die letzten acht Jahre so oft vor sich gesehen und herbeigesehnt hatte. Ließ sich von dem Gefühl des Glücks, der Erleichterung und der Freude durchfluten. Unwillkürlich löste sie die Finger vom Saum ihres Mantels, schlang sie in einer fließenden Bewegung um Nikolajs Hals und ließ sich mit ihrem gesamten Gewicht auf ihn fallen. Er umfasste sanft ihren Rücken, drückte sie nah an seine Brust und strich ihr über das lange offene, von der nasskalten Luft leicht gekräuselte, Haar.
    „Nick … ich dachte, ich sehe dich nie wieder! Ich dachte, ich hab dich für immer verloren! Ich hab dich so vermisst … jeden gottverdammten Tag seit damals …!“ Sie schluchzte haltlos drauf los, ließ so die Anspannung und Starre aus ihrem Körper entweichen und nahm stattdessen die erlösende Wahrheit in sich auf: Es war Nick – ihr Nick. Er war zurückgekehrt. In ihr Leben. Zu ihr.
    Nikolaj nahm ihr diesen Moment des Friedens nicht, hielt sie einfach nur im Arm und hüllte sie in schützende Geborgenheit. Alles Außen entwich ihrem Sinn. Einzig seine Hände um ihren Rücken, einzig seine Anwesenheit und Wärme, einzig sein Körper, der den Ihrigen berührte, war von Bedeutung.
    Nach einer viel zu kurzen Zeit traf ihr Blick abermals auf die regungslosen Körper der Männer. Keuchend löste sie sich aus der schwerelosen Umarmung, die sogleich einer unsichtbar auf sie eindrückenden Last Raum gewährte.
    Gedanken um Gedanken schossen in ihrem Kopf durcheinander, einem Rausch gleich. Die Männer hatten sie beinahe vergewaltigt. Nick hatte sie umgebracht. Nick war zurück. Er
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