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Wenn auch nur fuer einen Tag

Wenn auch nur fuer einen Tag

Titel: Wenn auch nur fuer einen Tag
Autoren: Annette Moser
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aufzupassen. Also, wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann strapazier meine Nerven nicht unnötig und mach das, was ich dir sage. Damit wirst du im Übrigen auch selbst am besten fahren und dich schneller an dein neues Leben gewöhnen.«
    Der Junge starrte den Mann perplex an. » Cosa ? An mein … neues Leben ? Wie lange, glauben Sie, wird dieser Irrsinn dauern? Ich hatte vor, in ein paar Monaten wieder abzuhauen.«
    Der Fahrer erwiderte nichts, sondern hielt den Blick starr auf die Straße gerichtet.
    Alles klar, er geht davon aus, dass es länger dauert, dachte der Junge. Genau wie die Ermittler zu Hause. Keiner hatte es direkt ausgesprochen, nur ihre betretenen Gesichter hatten es verraten. Aber was hieß länger? Ein halbes Jahr? Zwei Jahre? Oder etwa … Er versuchte, den Gedanken an für immer lieber schnell von sich zu schieben.
    »Also, wenn nicht bei Ihnen, wo werde ich dann in der nächsten Zeit wohnen, Bodyguard ?«, fragte er.
    »Du hast einen Platz im Studentenwohnheim. In zwei Monaten startet das Sommersemester an der Uni. Auf diese Weise findest du schnell Anschluss und kannst wieder anfangen zu studieren. Dein Deutsch ist ja zum Glück so gut wie perfekt, sprachlich wirst du also keine Probleme haben.«
    Der Junge fuhr sich über seine brennenden Augen und gähnte. Er hatte in den letzten Nächten kaum geschlafen, außerdem war er die grünen Kontaktlinsen noch immer nicht gewohnt, die man speziell für ihn angefertigt hatte.
    »Meine Mutter wurde, wie Sie wahrscheinlich wissen, in München geboren«, sagte er. »Sie hat mich und meinen Bruder zweisprachig erzogen. Und unser Kindermädchen kam aus Frankfurt, also …«
    Wieder schwiegen sie eine Zeit lang und er blickte aus dem Fenster, ohne auf die vorbeiziehende Umgebung zu achten. Er dachte an seine Uni in Rom, an die Sommerabende auf den Piazze, die Motorini-Rennen am Strand von Ostia, die anschließenden Strandpartys und eisgekühlten Cocktails, die belle ragazze, die nur darauf warteten, ihre Bikinioberteile abzulegen… Ob er dieses Jahr auf all das verzichten musste? Ob er … Plötzlich blitzte ein anderes Bild vor ihm auf. Er verkrampfte sich und kniff schnell ein paarmal die Augen zu, um es wieder loszuwerden. Augen voller nackter Angst, zitternde Lippen, die ansetzen, etwas zu sagen, aber keine Chance mehr haben, einen Ton hervorzubringen, dann nur noch Blut, das sich zäh und doch unaufhaltsam schnell auf dem Asphalt ausbreitet …
    »Alles klar?« Der Mann sah ihn über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg prüfend an.
    »Ja, ja … Tutto al posto .« Der Junge straffte seine Schultern und versuchte, sich wieder zu fassen. Auch das würde irgendwann aufhören. Zeit, hieß es immerhin, Zeit ist die Lösung aller Probleme. Irgendwann würde er das Geschehene vergessen können. Er musste sich nur oft genug sagen, dass es nicht seine Schuld gewesen war. Er hatte schließlich nicht gewollt, dass das passierte, und nie im Leben wäre er auf den Gedanken gekommen, dass diese verdammte Knarre wirklich losgehen würde.
    »Übrigens«, setzte er an, um sich selbst abzulenken, »laut meinem Ausweis bin ich am 15.   Januar neunzehn geworden. Ich meine, ich verstehe ja, dass Sie mir einen neuen Geburtstag verpassen mussten, das gehört wohl zum Paket, aber … neunzehn ?«
    »Gern geschehen. Du musst dich nicht bedanken.«
    »Das hatte ich auch nicht vor, Mann. Wieso haben Sie mich um ein ganzes Jahr jünger gemacht? Ich werde nächsten Monat zwanzig!«
    »Du wirst dieses Extra-Jahr brauchen, Junge. Und glaube mir, du wirst mir noch dankbar sein dafür. Wie im Übrigen auch für vieles andere.«
    Der Junge warf dem Fahrer einen vernichtenden Blick zu. Ihn nervte das Gelaber seines Begleiters, seit dieser den Mund zum ersten Mal aufgemacht hatte. In ihm herrschte ohnehin schon ein irrsinniges Durcheinander, aber nun merkte er, wie seine Geduld ihren Tiefpunkt erreichte und es in ihm zu kochen begann. Konnte dieser stronzo nicht einen Satz von sich geben, ohne dabei seine Arroganz raushängen zu lassen? Was bildete sich dieser Amateur mit seinem Pokerface bloß ein?
    »Hören Sie«, platzte es aus ihm heraus, »Sie denken wohl, Sie haben den absoluten Überblick, habe ich recht, Möchtegern-007? Sie glauben, Sie sind der Coolste und allem und jedem überlegen. Am Abend mixen Sie sich wahrscheinlich Ihren Martini – gerührt, nicht geschüttelt. Und Ihre Frau ist vielleicht kein heißes Bondgirl, aber trotzdem versichert sie Ihnen, was für ein
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