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Wenn auch nur fuer einen Tag

Wenn auch nur fuer einen Tag

Titel: Wenn auch nur fuer einen Tag
Autoren: Annette Moser
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erzählt, was bei mir so los war. Eigentlich so gut wie gar nichts, wenn ich genauer darüber nachdenke.
    »Jetzt lass Lukas doch erst mal in Ruhe essen«, mischt sich seine Frau Anne ein, bevor mir eine patzige Antwort einfällt. »Das hier sollte zur Abwechslung ein ganz normales, entspanntes Abendessen werden und nichts … Geschäftliches . Das hatten wir doch so ausgemacht, Fred.« Sie wirft ihrem Mann einen vorwurfsvollen Blick zu und ich schenke ihr ein dankbares Lächeln. Am liebsten hätte ich der schlanken Blondine, die mit ihren achtunddreißig Jahren zugegebenermaßen gar nicht mal so übel aussieht, allerdings ins Gesicht gesagt, dass ich ihrer Einladung nicht freiwillig gefolgt, sondern nur aus reiner Höflichkeit aufgekreuzt bin.
    Auf der anderen Seite des Tisches zieht jemand geräuschvoll die Nase hoch. Ich verdrehe die Augen. Offensichtlich kennt der sechsjährige Sohn der Becks, der laut vor sich hin schmatzt und schon zweimal seinen Apfelsaft verschüttet hat, keinerlei Tischmanieren. Aber wenigstens plappert er heute nicht so viel wie sonst.
    »Lukas, bleibst du heute mal länger?«, kräht er just in diesem Moment, als habe er meine Gedanken gelesen und müsse mir sofort das Gegenteil beweisen. Ein Sprühregen aus Spucke und Tomatensoße verlässt seine Zahnlücke und besprenkelt mein neues weißes Valentino-Shirt. Angewidert greife ich nach meiner Serviette. Toll, jetzt muss ich noch mal zurück ins Studentenwohnheim, um mich umzuziehen. Welche heiße Braut steht schon auf Typen in angesabberten Klamotten? Tamara bestimmt nicht.
    »Aber Felix, man spricht doch nicht mit vollem Mund!«, ermahnt ihn seine Mutter. Allerdings sagt sie das mit so einer Engelsstimme, dass Felix noch nicht einmal zu ihr herübersieht, sondern sich eine weitere übervolle Gabel Spaghetti in den Mund schiebt und die Hälfte zurück auf den Teller flutscht. »Nimm doch bitte das Messer!«, säuselt Anne.
    Wenn ich mich in seinem Alter so bei Tisch aufgeführt hätte, hätte mir mein Vater den Teller weggenommen und mich hungrig auf mein Zimmer geschickt. Aber vermutlich kann man dem Zwerg noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Wer beigebracht bekommt, Spaghetti mit dem Messer klein zu schneiden, ist und bleibt ein hoffnungsloser Fall.
    »Lukas, tatsächlich würden wir uns freuen, wenn du nachher noch etwas bleiben könntest«, sagt Anne Beck nun an mich gewandt. »Vielleicht auf ein Bier? Du trinkst doch Bier, oder, Lukas?«
    Ich nicke stirnrunzelnd. Ist die Frage wirklich ernst gemeint? Glaubt sie etwa dem Klischee, dass Italiener nichts als Rotwein trinken und es das Bier nicht bis südlich der Alpen geschafft hat? Zuzutrauen wäre es ihr. Aber was mich besonders nervt, ist die Tatsache, dass die Becks in jeder Frage und in jedem Satz, die sie an mich richten, meinen neuen Namen megaauffällig betonen. Lukas hier, Lukas da. Jedes Mal reißt es mich und ich überlege, ob das zu ihrer langen Liste an »Umerziehungsmaßnahmen« gehört oder ob die Leute früher ebenso oft »Matteo« gesagt haben, wenn sie sich mit mir unterhielten. Keine Ahnung, aber Fakt ist, dass sie diesen Namen im Moment wohl gar nicht mehr aussprechen. Jedenfalls nicht an mich gewandt, denn Matteo Orsini liegt Berichten der Medien zufolge nach wie vor im Koma.
    »Wir möchten wirklich, dass du dich bei uns wohlfühlst, unabhängig von dieser ganzen belastenden Geschichte«, erklärt Anne Beck mit ihrer Engelsstimme. »Deine Mutter würde es ganz bestimmt freuen, wenn du Teil unserer Familie würdest. Nicht nur auf dem Papier. Du weißt ja, dass Johanna früher wie eine große Schwester für mich war.«
    Nicht schon wieder. Ich seufze innerlich, während ich nicke. Die Geschichte musste ich mir in den letzten Wochen mehr als einmal anhören. Anne und meine Mutter haben als Kinder in München nebeneinander gewohnt und meine Mutter hat oft auf Anne aufgepasst. Auch nachdem sie sich mit neunzehn in meinen Vater verliebt hat und zu ihm nach Italien gezogen ist, haben sie oft miteinander telefoniert.
    »Und Felix ist mächtig stolz, auf einmal einen großen Cousin zu haben«, erklärt Anne jetzt auch noch mit einem zärtlichen Seitenblick auf ihren kleinen Satansbraten.
    Mamma mia , ich wünschte, ich könnte auf der Stelle verschwinden. Mir wird schlecht von diesem Gesülze! Großer Cousin ? Müssen die zwei mich unbedingt in diese peinliche Situation bringen? Und dann auch noch vor dem Kleinen? Ich dachte, dies hier sollte ein entspanntes Abendessen
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