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Wenn auch nur fuer einen Tag

Wenn auch nur fuer einen Tag

Titel: Wenn auch nur fuer einen Tag
Autoren: Annette Moser
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die Sätze entgegenspuckt. »Und deine Freundin, der einzige Mensch, der anscheinend eine hohe Meinung von dir hatte, würde dich ebenfalls verachten, wenn sie erführe, was du getan hast. Und das weißt du, stimmt’s? Du hast bloß mit ihr Schluss gemacht und wolltest abhauen, weil du zu feige warst, ihr die Wahrheit zu sagen. Du bist so armselig, Matteo!«
    »Was meint er, Lukas? Was hast du getan? Und warum in Rom? Du … du hast mir doch auch gesagt, du hast keine Geschwister. Deine Eltern sind gestorben. Und du heißt nicht Matteo!«
    Janas Worte klingen wie eine verzweifelte Bitte und der Ausdruck in ihren Augen zerfetzt mir beinahe das Herz. Ich fühle mich wie in einer Falle. Fabio hat ja keinen blassen Schimmer, was er gerade anrichtet. Er weiß nicht, dass Jana die Schwester des Toten ist. Ich bin mir sicher, wenn er es wüsste, dann würde er aufhören, mich vor ihr fertigzumachen. Ich kenne meinen Bruder, er hat ein Gewissen, er ist im Moment bloß nicht mehr Herr seiner Sinne.
    »Bitte, Fabio, jetzt beruhige dich endlich. Du hast keine Ahnung, was du da gerade tust. Du und ich, wir werden doch verdammt noch mal einen Weg finden, wenn ich erst wieder zu Hause –«
    Plötzlich geht alles ganz schnell. Fabios Hand greift nach Janas Arm und reißt sie zu sich. Im selben Moment zieht er mit der anderen Hand eine Waffe. Er richtet sie auf Janas Gesicht. Sie und ich schreien gleichzeitig auf.
    »Also, ich soll keine Ahnung haben, was ich gerade tue? Glaub mir, ich weiß es ganz genau, Matteo. Und jetzt schnall es endlich: Du wirst nie wieder nach Hause kommen, dafür sorge ich!«
    »Verflucht, Fabio! Hör sofort auf mit dem Scheiß, wirf die Knarre weg! Das bist nicht du!« Meine Stimme überschlägt sich. Janas Augen flackern. Die nackte Angst liegt darin. Sie wimmert und zittert am ganzen Leib.
    »Lukas, hilf mir, bitte …«
    »Hab keine Angst, Jana, er tut dir nichts, okay? Vertrau mir, Fabio ist ein guter Kerl …« Ich versuche, meiner Stimme die Panik zu nehmen, was mir leider nicht besonders gut gelingt.
    »Bitte, Fabio, wirf jetzt die Waffe weg. Du willst ihr doch gar nichts tun. Und mir auch nicht. Denk dran, wir sind Brüder. Wir … wir müssen zusammenhalten, an einem Strang ziehen. Egal, was zu Hause abgeht, wir beide sind eine Familie. Und du hast bestimmt in vielem recht, was mich betrifft. Aber das können wir klären.« Es ist mir jetzt vollkommen egal, was Jana mitbekommt. In diesem Moment zählt einzig und allein, dass Fabio die Waffe wegnimmt und nicht komplett durchdreht. Janas Augen erinnern mich an die ihres Bruders, kurz bevor er zu Boden ging. Der gleiche angsterfüllte, panische Ausdruck liegt darin. Dio, aiutami , flehe ich stumm, bitte nicht noch einmal.
    »Fabio, fratello mio  …«
    Fabio richtet jetzt die Waffe auf mich, ohne Jana loszulassen. Auf seiner Stirn kleben Schweißperlen. Ich merke, dass er komplett überfordert ist und selbst nicht mehr weiß, wie er weiter vorgehen soll.
    »Das hier ist doch genau die Sprache, die du sprichst, kleiner Bruder«, stößt er hervor. »Weißt du, Jana, er war nämlich dabei, als ein Unschuldiger erschossen wurde. Er stand daneben und hat nichts getan, um es zu verhindern. Im Gegenteil! Mein kleiner Bruder hat sich mit Leuten eingelassen, die keine Skrupel kennen. Ihnen geht es nur um ihren eigenen Vorteil – und dafür gehen sie über Leichen. Sie sind Abschaum!« In Fabios Augen liegt der blanke Hass. »Es ist gerade mal ein halbes Jahr her«, fährt er fort, »und jetzt, jetzt will er zurückkommen, so tun, als wäre nichts geschehen, wieder alles an sich reißen und mein Leben erneut kaputt machen! Ist das fair? Darf ein Mensch … einfach so damit durchkommen?«
    Jana erwidert nichts. Sie ist wie erstarrt. Und was mich betrifft: Ich fürchte mich weniger vor der Waffe in Fabios Hand als vor den Worten, die seinen Mund verlassen. Ich spüre, mein Bruder ist kurz davor, mich zu outen. Jana wird von ihm die Wahrheit erfahren! Hier und jetzt wird sie erkennen, zu wem sie »Ich liebe dich« gesagt hat.

Jana
    »Ich weiß, dein blonder Sunnyboy hier will nicht, dass ich das alles über ihn ausplaudere. Aber weißt du was, Jana? Das ist mir egal. Im Gegenteil, es gefällt mir, ihn zum ersten Mal komplett sprachlos zu sehen. Außerdem, schätze ich, bist du neugierig. Wie unhöflich von uns! Wenn drei zu einer Party eingeladen sind, sollten sich nicht nur zwei unterhalten.«
    Ich reagiere nicht, ich kann nicht. Ich bin wie gelähmt
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