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Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Titel: Wendland & Adrian 03 - Nachtauge
Autoren: Thomas Görden
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schätzte die junge Frau auf höchstens Mitte zwanzig.
    »Ja, ich bin Tula.«
    »Aber ... du bist doch viel zu jung, nur ein paar Jahre älter als er ...«
    »Wir leben nicht in eurer Zeit.«
    »Und warum hast du dich in all den Jahren nicht um deinen Sohn gekümmert?«, fragte Chris, der das Herz bis zum Hals schlug.
    »Ich hatte andere Aufgaben, über die ich euch keine Rechenschaft schulde.« Ihr ganzes Benehmen strahlte eine frostige Arroganz aus, die Chris auf die Palme gebracht hätte, wäre das alles nicht so unheimlich gewesen. Wächter ... was um alles in der Welt waren diese Balam-Menschen?
    »Und Votan und seine Sippe? War denn Votan nicht dein Vater?«
    »Votan war ein ganz normaler Indianer. Ein Mensch wie ihr. Er und seine Sippe haben uns gedient. Sie haben ihre Gebete für uns verrichtet und uns Körper geschenkt, wenn das erforderlich war.«
    Ihnen Körper geschenkt? Chris schluckte. »Seid ihr denn jetzt zufrieden?«, fragte sie. »Eure Rache ist doch nun beendet. Alle, die damals an dem Überfall auf Votans Sippe beteiligt waren, sind tot.«
    »Zufrieden? In solchen Begriffen denken wir nicht. Wer sich in unseren Machtbereich begibt, muss unseren Gesetzen folgen.«
    »Und warum mussten die beiden unbeteiligten Leute in der Raffinerie sterben?«, fragte Chris.
    »Auch damals bei dem Angriff auf den Tempel sind Unbeteiligte getötet worden, die bei Votan zu Besuch waren. Das wurde jetzt ausgeglichen. So ist unser Gesetz. Das Schicksal einzelner Menschen ist uns gleichgültig.«
    Widerlich, dachte Chris. Ihre Angst wich allmählich einer großen Wut über die Arroganz und fühlbare Grausamkeit dieser geheimnisvollen Wächter. »Und der Kristallschädel?«, fragte sie. »Was hat es mit ihm auf sich?«
    »Ihr weißen Menschen seid viel zu neugierig«, sagte Tula verächtlich. »Ihr lasst die Toten nicht in ihren Gräbern schlafen. Ihr grabt unter dem Schutt der Jahrhunderte verborgene Schätze aus, die ihr besser ruhen lassen solltet. Wir haben nichts mit euresgleichen zu schaffen und der Kristallschädel geht euch nichts an. Kümmert euch um eure eigenen Angelegenheiten!« Die letzten Worte klangen drohend.
    Tulas Begleiter grinste wieder und spuckte aus, schleimige Tropfen, die im Nichts verschwanden. »It’s not your business, see, my friends?«
    »Aber ich habe in einer Vision gesehen, dass die Dreizehn Heiligen Kristalle aus dem Weltraum auf die Erde gebracht wurden. Von ... einer Raumfahrerin namens Carim, vor langer Zeit.«
    »Ich weiß nichts von einer Carim und der Weltraum interessiert uns nicht. Und wie will jemand wie du die Herkunft der heiligen Kristalle begreifen, wenn du noch nicht einmal deine eigene Herkunft kennst?« Tula lachte spöttisch und das widerliche goldzähnige Grinsen ihres Begleiters konnte Chris einfach nicht mehr ertragen. Sie waren in Chris’ Territorium eingedrungen, aber das würde sie nicht länger dulden.
    Chris bat die Bärin um Hilfe und sagte: »Ich kenne eure Herkunft nicht und ich glaube, ich will sie auch gar nicht kennen. Ich habe es schon eurem Balam gesagt: Ihr seid bei uns nicht willkommen. Ihr seid hier eingedrungen und stört unseren Frieden. Ich bin die Hüterin dieses Landes und ich sage euch: Verschwindet! Sofort!«
    Tula starrte Chris mit kalt funkelnden Augen an. »Ich kann dich und deinen Mann töten wie zwei lästige Mücken, die man sich von der Haut wischt.«
    Eine angespannte Stille entstand. Chris wusste, dass sie Tulas Blick standhalten musste, dass ihre schamanische Kraft herausgefordert wurde und sie jetzt auf keinen Fall klein beigeben durfte. Sie stellte sich vor, wie die Bärenkraft sie durchströmte. Und plötzlich baute sich Mister Brown schützend vor Chris und Jonas auf und knurrte Tula und ihren Begleiter so laut und böse an, dass Chris ihn kaum wieder erkannte.
    Tula senkte den Blick. »Wir werden euren Frieden nicht länger stören«, sagte sie. »Wir holen uns nur, was zu uns gehört.«
    Sie zog einen kleinen, unangenehm bläulich leuchtenden Kristall aus der Tasche und strich damit über Marios, Nachtauges, Brust. Verblüfft sah Chris, wie die Einschusswunden verschwanden, als hätte es sie nie gegeben. Mario regte sich, murmelte etwas wie in einem Fiebertraum, öffnete die Augen aber nicht. Tula gab ihrem Begleiter einen Wink, der sich Mario daraufhin über die Schulter legte. Tula fuhr mit dem Kristall über das Blut, das aus Marios Wunden auf das Ledersofa gesickert war. Auch die Blutflecken verschwanden ohne jede Spur.
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