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Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Titel: Wendland & Adrian 03 - Nachtauge
Autoren: Thomas Görden
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aus meinem Holz geschnitzt, als es den Anschein hat, dachte er.
    Plötzlich fing Rigoletto zu knurren an und zog heftig an der Leine. Sempold hatte erkennbar Mühe ihn festzuhalten. Im selben Moment sah Krupka aus den Augenwinkeln eine Bewegung – einen Schatten, etwas Großes, Huschendes, das nicht hierher gehörte. Arbeiter waren um diese Zeit, eine halbe Stunde nach Mitternacht, nicht in der Claus-Anlage unterwegs und im Falle einer technischen Störung hätte man ihn unverzüglich informiert. Teile der riesigen Claus-Anlage waren hell erleuchtet, doch dazwischen gab es schwarze Pfützen aus Dunkelheit, die eine gute Deckung boten. Die Raffinerie war nicht gerade ein Lebensraum für Tiere. Aber der Rhein war nicht fern und von dort kamen Ratten herauf. Ratten lebten eigentlich überall. Selbst hier. Und wo Ratten existierten, mochte es auch Katzen geben. Der Schatten war zu groß für eine Ratte gewesen, auch zu groß für eine Katze. Nicht so hoch wie ein Mensch allerdings, wenn Krupka darüber nachdachte. Ein gebückter Mensch vielleicht. Der jetzt womöglich durch die Dunkelheit zwischen den Kesseln schlich, um sich auf der anderen Seite der Claus-Anlage aus dem Staub zu machen.
    Rigoletto riss sich los und raste, die Leine hinter sich herziehend, auf das Rohrgewirr zu. »Sind Sie wahnsinnig?«, herrschte Krupka Sempold an. »Wie können Sie den Hund einfach loslassen, Sie Penner?!«
    »Er ... hat so stark gezogen. Ich ... konnte ihn nicht mehr halten.« Sempold stand mit hängenden Armen da.
    »Niete!«, zischte Krupka und sprintete hinter dem Hund her. Rigoletto war scharf. Wenn sich hier wirklich ein Einbrecher herumtrieb, war der Hund imstande und machte Hackfleisch aus ihm. In diesem Moment entschied er endgültig, dass er Sempold feuern würde, sobald Jürgens und Riemenschneider wieder im Dienst waren.
    Krupka zog seine Pistole, entsicherte sie und ging dort, wo Rigoletto in der Dunkelheit verschwunden war, in die Anlage hinein. Er bewegte sich vorsichtig durch eine dunkle, enge Gasse zwischen dicken Rohrleitungen und knipste seine Taschenlampe an. Ein guter Platz, um sich zu verstecken oder jemanden von hinten anzugreifen.
    Vorne in der Dunkelheit hörte er über das leise Gurgeln und Brummen der Aggregate hinweg Rigoletto ein paar Mal laut anschlagen. Dann verstummte der Hund. Krupka blieb unwillkürlich stehen. Jetzt knurrte Rigoletto. Er schien nur wenige Meter entfernt zu sein. Krupka leuchtete die Gasse entlang, konnte den Hund dort jedoch nirgendwo entdecken. Offenbar war er seitwärts zwischen die mächtigen Rohrschlangen gelaufen. Plötzlich war da ein anderer Laut. Ein Fauchen. Eine Katze. Aber das Fauchen war sehr laut, ging in eine Art Knurren über. Das musste eine ... sehr große Katze sein.
    Und jetzt jaulte Rigoletto plötzlich laut auf. Dann war es still.
    Krupka hielt für einen Moment den Atem an. Als er nichts mehr hörte, ging er vorsichtig weiter, mit schussbereiter Pistole. Schweiß trat ihm auf die Stirn.
    Er richtete den Lichtkegel der Taschenlampe nach links in einen unbeleuchteten Arbeitsgang zwischen den riesigen Reaktorbehältern und sah den Hund. Rigoletto lag reglos auf der Seite, in einer dunklen Pfütze.
    Krupka näherte sich vorsichtig. Von dem anderen Tier, das er gehört hatte, war nichts zu sehen. Dieses laute Fauchen. Ihm lief ein Schauder über den Rücken. Der Hund war tot, lag in seinem Blut. Sein Hals war völlig zerfleischt. »Sempold!«, schrie Krupka und seine Stimme, die fremd und schrill klang, hallte von den Reaktorwänden und Rohrleitungen wider.
    Sempold antwortete nicht. Krupka hatte es plötzlich wahnsinnig eilig, aus dieser engen, dunklen, nach Schwefel riechenden Gasse in offenes, gut beleuchtetes Gelände zu kommen. Er rannte zurück und sah Sempold seltsam starr auf der Fahrstraße stehen, an einer schwächer beleuchteten Stelle, ungefähr zehn Meter rechts von Krupka. Sempold schien Krupka nicht zu bemerken. Sein Blick war auf etwas gerichtet, das sich irgendwo in der Dunkelheit unter den dicken Leitungsrohren befinden musste. Etwas, das vieleicht einen anderen Weg zwischen den Rohren und Kesseln genommen hatte als Krupka.
    »Sempold?«, sagte Krupka laut. »Haben Sie was entdeckt?«
    Sempold schwieg und rührte sich nicht, starrte nur mit seltsam versteiftem Körper in die Dunkelheit.
    In diesem Moment hörte Krupka es wieder. Das Fauchen. Laut, viel zu laut für eine Katze. Eine gewöhnliche Hauskatze wäre niemals in der Lage gewesen einen
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