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Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Titel: Wendland & Adrian 03 - Nachtauge
Autoren: Thomas Görden
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gesagt. Sie hatte nicht die blasseste Ahnung, was eine Claus-Anlage war, aber Torsten hatte ihr gesagt, wie oft sie abbiegen musste. Schließlich sah sie Torsten am Rand eines Anlagenkomplexes stehen, der sich nach Susannes Empfinden nicht erkennbar von den Raffinerieteilen unterschied, an denen sie bereits vorbeigefahren war.
    Sie stellte den Wagen ab und stieg aus. Ob in einer Raffinerie das Rauchen verboteh war? Sie beschloss, sich nicht darum zu scheren, und zündete sich die zweite Zigarette des Tages an. Fast fünf Monate hatte sie es seinerzeit ohne Nikotin ausgehalten und schon geglaubt, ein für alle Mal kuriert zu sein, doch dann hatte sie während einer besonders stressigen Phase im Präsidium plötzlich halb unbewusst, wie von einem bösen kleinen Dämon gesteuert, in Tönsdorfs Zigarettenschachtel gefasst. Inzwischen hatte die Sucht sie wieder voll im Griff, ja, sie rauchte mehr denn je.
    Torstens Augen wirkten klein und von Müdigkeit verschwollen und er hatte Bartstoppeln im Gesicht. Die Leiche war bereits abtransportiert, die Spurensicherung hatte ihre Arbeit geleistet, aber Susanne legte Wert darauf, den Fundort persönlich in Augenschein zu nehmen. Die Stelle auf dem Asphalt, wo der Tote gelegen hatte, war mit Kreidestrichen markiert.
    Tönsdorf, offenbar aus seinem frühmorgendlichen Stupor erwacht, schien nun doch gewillt, aktiv am Dienst teilzunehmen, und gesellte sich zu ihnen. Er kratzte sich an seinem stattlichen Bauch, ließ seinen Blick an den hohen Kesseln der Claus-Anlage entlangwandern und zündete sich ebenfalls eine Zigarette an. Nach den ersten zwei Zügen musste er erst einmal Schleim abhusten, verzog sein immer etwas gerötetes Gesicht und brummte: »Die ganze Kehle aufgerissen? Ist ja ekelhaft!«
    »Was haben wir denn?« Susanne musterte die Kreidestriche. Der Tote musste lang ausgestreckt auf dem Boden gelegen haben. Vermutlich rücklings.
    Torsten seufzte. »Wenig. Und das wenige erscheint völlig rätselhaft. Mir jedenfalls. Aber vielleicht bin ich auch einfach zu müde ...« Er gähnte demonstrativ und ehe er weitersprechen konnte, rauschte ein silberner Mercedes heran und stoppte neben Susannes Dienst-Opel. Der Mann, der ausstieg, war groß und schlank und näherte sich mit raschen, geschmeidigen Schritten. Ein sehr attraktiver Mann, wie Susanne registrierte. Außerdem registrierte sie, dass noch ein zweiter Mann auf dem Beifahrersitz saß, aber keine Anstalten machte auszusteigen.
    Dann wurde ihr Blick auf eigenartige Weise von dem Mann gefesselt, der zielstrebig auf sie zukam. Er hielt sich aufrecht, sein kurzes, dunkles Haar, das gepflegt schimmerte, war von Silberfäden durchzogen. Das gut geschnittene Gesicht war angenehm gebräunt und die Falten darin saßen genau an den richtigen Stellen. Susanne schätzte ihn auf Ende vierzig, aber bestens erhalten. Er streckte die Hand aus. »Guten Morgen. Ich bin Arne Felten. Der Direktor.« Seine Stimme hatte ein wohlklingendes, volles Timbre. Du meine Güte, es war wie Magie. Susanne spürte, wie ihre Knie weich wurden. Das war ihr, wenn überhaupt jemals, schon seit Ewigkeiten nicht mehr passiert. Seine Augen funkelten sie freundlich und, wie es ihr schien, ein wenig spöttisch an. War er sich der Wirkung, die er bei ihr erzielte, bewusst? Seine Hand war warm und fest und sie hatte das Gefühl, dass er ihre Hand etwas länger als nötig festhielt, was sich gar nicht vorteilhaft auf ihre Knie auswirkte. Sie machte den Mund auf.
    »Ja ...«
    Tönsdorf sprang in die Bresche, wobei er sich, wie Susanne ärgerlich bemerkte, offenbar nur mühsam ein Grinsen verkneifen konnte. »Das ist Kommissar Mallmann, ich bin Kommissar Tönsdorf, und das ist unsere Chefin, Frau Hauptkommissarin Wendland.« Letzteres sagte er zu Susannes Freude mit deutlich erkennbarem Stolz. Der Bann löste sich. Sie fand ihre Sprache wieder. »Angenehm«, sagte sie etwas kratzig.
    Himmel, was war denn los mit ihr? Sie neigte normalerweise wirklich nicht dazu, irgendwelche schönen Männer anzuschmachten wie ein pubertierender Teenager.
    »Sind Sie denn schon zu ersten Erkenntnissen gelangt?«, fragte Felten. Für einen Moment verspürte Susanne den ziemlich lächerlichen Wunsch, mit geschlossenen Augen seiner Stimme zu lauschen wie einem guten klassischen Musikstück.
    »Die Leiche ist in die Gerichtsmedizin gebracht worden. Den Obduktionsbericht erwarten wir im Lauf des Vormittags«, sagte Torsten.
    Felten nickte. »Sehr gut. Muss hart sein, sich auf diese Weise
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