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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses
Autoren: Henry Miller
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käme ich leichter aus dieser Geschichte heraus. Jetzt stecke ich in einer Falle. Ich habe ihr die Heirat versprochen und werde in den sauren Apfel beißen müssen. Danach weiß ich nicht, was aus mir wird. Sie haben mich jetzt in der Falle.»
    Da er ein Zimmer im gleichen Hotel wie ich genommen hatte, war ich gezwungen, die beiden oft aufzusuchen, ob ich wollte oder nicht. Fast jeden Abend saßen wir zusammen beim Essen, dem einige Pernods vorausgingen. Während der ganzen Mahlzeit stritten sie sich laut. Es war peinlich, denn ich mußte manchmal für die eine und dann wieder für die andere Seite Partei ergreifen. Eines Sonntagnachmittags zum Beispiel begaben wir uns, nachdem wir gemeinsam gegessen hatten, in ein Café an der Ecke des Boulevard Edgar-Quinet. Alles war diesmal ungewöhnlich gut gegangen. Wir saßen drinnen nebeneinander an einem kleinen Tisch, im Rücken einen Spiegel. Ginette muß von leidenschaftlichen Gefühlen oder sonst etwas übermannt worden sein, denn sie verfiel plötzlich in eine gefühlvolle Stimmung und herzte und küßte ihn vor allen Leuten, was für Franzosen etwas ganz Natürliches ist. Sie hatten sich gerade aus einer langen Umarmung gelöst, als Fillmore etwas über ihre Eltern sagte, was sie als Beleidigung auslegte. Sofort schoß ihr vor Ärger das Blut in die Wangen. Wir versuchten, sie zu beschwichtigen, indem wir ihr versicherten, sie habe die Bemerkung mißverstanden, und dann flüsterte mir Fillmore etwas auf englisch zu, etwa wie, ich sollte ihr eine kleine Schmeichelei sagen. Das genügte, um sie völlig aus dem Häuschen zu bringen. Sie sagte, wir machten uns über sie lustig. Ich war etwas scharf zu ihr, was sie noch mehr aufbrachte, und dann versuchte Fillmore, ein Wort einzuwerfen. «Du bist zu hitzig», sagte er und wollte ihr die Wange tätscheln. Aber sie versetzte ihm, im Glauben, er habe die Hand erhoben, um sie ins Gesicht zu schlagen, einen tüchtigen Kinnhaken mit ihrer großen Bauernhand. Einen Augenblick war er betäubt. Er hatte keinen solchen Schlag erwartet, und der Schlag hatte gesessen! Ich sah, wie sein Gesicht weiß wurde, und im nächsten Augenblick sprang er auf und gab ihr eine solche Ohrfeige, daß sie fast vom Sitz fiel. «Das wird dich lehren, dich zu benehmen!» sagte er in seinem gebrochenen Französisch. Einen Augenblick herrschte Totenstille. Dann, als breche ein Sturm los, ergriff sie das vor ihr stehende Cognacglas und schleuderte es mit aller Kraft nach ihm. Es krachte in den Spiegel hinter uns. Fillmore hatte sie bereits am Arm gepackt, aber mit ihrer freien Hand ergriff sie das Kaffeeglas und schmetterte es auf den Boden. Sie wand und wehrte sich wie eine Wahnsinnige. Nur mit Mühe konnte er sie festhalten. Mittlerweile war natürlich der patron angerannt gekommen und forderte uns auf, das Lokal zu verlassen. «Landstreicher!» schrie er uns an. «Ja, Landstreicher, das stimmt!» kreischte Ginette. «Dreckige Ausländer! Rohlinge! Gangster! Eine schwangere Frau schlagen!» Wir bekamen von allen Seiten finstere Blicke. Eine arme Französin mit zwei ausgekochten amerikanischen Gangstern. Ich fragte mich, wie, zum Teufel, wir wohl jemals ohne Prügelei aus dem Lokal herauskommen würden. Fillmore verhielt sich still wie eine Muschel. Ginette sauste zur Tür hinaus und überließ es uns, die Sache auszubaden. Beim Hinaussegeln drehte sie sich mit erhobener Faust um und schrie: «Das zahle ich dir heim, du Rohling! Das wirst du sehen! Kein Ausländer darf eine anständige Französin so behandeln. Ah, nein! So nicht!»
    Als er das hörte, hielt es der patron , der inzwischen für seine Getränke und seine zerbrochenen Gläser bezahlt worden war, für angebracht, seine ritterliche Haltung gegenüber einer glänzenden Vertreterin französischer Mutterschaft, wie Ginette es war, dadurch zu beweisen, daß er uns ohne weitere Umstände vor die Füße spuckte und uns zur Tür hinausschob. «Haut ab, ihr dreckigen Landstreicher!» sagte er – oder eine ähnliche Liebenswürdigkeit.
    Sobald wir auf der Straße standen und uns niemand mehr etwas nachwarf, begann ich die komische Seite der Sache zu sehen. Es wäre eine glänzende Idee, dachte ich bei mir, wenn das Ganze vor Gericht ordentlich untersucht würde. Das Ganze ! Mit Yvettes Geschichten als Zugabe. Schließlich haben die Franzosen Sinn für Humor. Vielleicht würde der Richter, wenn er Fillmores Darstellung der Geschichte hörte, ihn von der Verpflichtung zur Heirat entbinden.
    Inzwischen
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