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Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch

Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch

Titel: Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch
Autoren: Mara Andeck
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schon viel zu lange kennen. Wir brauchen wohl beide mal ein bisschen Abstand.«
    Tom schüttelte sich, als wollte er ein Insekt loswerden, das ihn umschwirrte. Er machte ein paar Mal den Mund auf, schloss ihn dann aber wieder. Er drehte sich um und trat gegen einenunschuldigen Baum. Er räusperte sich, sagte aber immer noch nichts. Dann wandte er sich wieder zu mir um. Er hob den Blick und sah mich an.
    Und seine Augen, die sagten nur eins: Aber ich finde dich schön. Wunderschön!
    Hammer! Plötzlich machte die Welt eine Vollbremsung. Sie drehte sich einfach nicht mehr weiter. Ich hörte die Stimmen der anderen nicht mehr, das Vogelzwitschern war verstummt und das Feuer stellte das Knistern ein. Ich roch auch kein Moos mehr. Ich sah nur noch Toms Augen. Und dann kribbelte es in meinen Fingern. In meinen Zehen. Auf meiner Haut. Es war, als hätte ich mich in einen Ameisenhaufen gesetzt. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, ich konnte nur noch in Toms Augen sehen und fühlen, wie die Ameisen auf mir und in mir die Herrschaft übernahmen.
    »Dein Schnitzel ist fertig, Prinzessin«, trötete da jemand von hinten.
    Gaaah!
    Ruckelnd sprang die Welt wieder an und plötzlich drehte sie sich viel zu schnell, sodass ich fast das Gleichgewicht verloren hätte. Die Stimmen der anderen gellten plötzlich in meine Ohren, als hätte jemand mit einer Fernbedienung den Ton zu laut gestellt. Die Vögel kreischten und das Feuer knatterte. Die Ameisen in mir hatten sich in lauter kleine Maden verwandelt. Mir war schlecht.
    »Ich komme«, sagte ich und meine Stimme hallte in meinem Kopf, als wäre mein Schädel riesengroß und leer.
    Tom wandte sich ab und ging.
    Warum bin ich ihm nicht nachgegangen?
    Warum???
    Jetzt hasse ich mich dafür.
    Andererseits – das war ja auch eine krasse Situation! Erst haben Tom und ich gestritten, wie wir noch nie gestritten haben, er nannte mich bescheuert und verteidigte auch noch Vicky. Und dann plötzlich dieser Blick und dieser Flash aus heiterem Himmel. Ich wusste einfach nicht, was denn jetzt stimmte: das, was er gesagt hatte, oder das, was in seinen Augen stand.
    Und ich hatte in diesem Moment keine Zeit, darüber nachzudenken. Um mich herum war Partystimmung. Alle schwatzten und schmatzten und lachten und flachsten rum. Nur ich nicht. Ich fühlte mich, als wäre ich gar nicht wirklich da. Meine Gedanken schwirrten durch den Wald wie ein Schwarm Mücken und Jakob störte mich mit seinen blöden Küssen dauernd beim Nachdenken. Plötzlich nervte er mich unendlich.
    Zum Glück merkte keiner, was mit mir los war. Nur Dana. Sie fragte, ob ich mit ihr reden wolle, aber ich schüttelte den Kopf. Was hätte ich sagen sollen? In mir herrschte Chaos, ich hätte das alles gar nicht in Wort fassen können. Kann ich ja jetzt immer noch nicht.
    Als es dämmerte, packte Maiken ihre Gitarre aus.
    »Auffällig unauffällig«, flüsterte sie mir zu. Erst verstand ich nicht, was sie meinte, aber dann kapierte ich: Maiken stimmte jetzt ihren Balzgesang an. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht kapiert, um welches Männchen es ihr ging. Ja, ja, ich weiß, das war ziemlich offensichtlich. Aber ich kreiste viel zu sehr um mich selbst.
    Wir anderen legten noch mehr Holz auf und machten es uns auf Decken und Jacken rund um die Feuerstelle gemütlich. Jakob zog mich an sich und ich ließ es zu. Alles andere hätte ich erklären und begründen müssen, aber dazu musste ich mich erst mal selbst verstehen.

    Maiken an der Gitarre war toll. Sie hat eine wunderschöne, sichere Stimme und kennt die Noten und Texte von alten Wanderliedern genauso wie die von modernen Songs. Anfangs sangen wir noch mit, aber dann verstummten wir, wünschten uns von ihr unsere Lieblingstitel, starrten in die Flammen und hörten einfach zu.
    Was für ein perfekter Moment zum Nachdenken wäre das gewesen, wenn nicht Jakob dauernd an meinem Ohr geknabbert hätte! »Hast du Hunger?«, knurrte ich nach hinten. »Es sind noch Muffins da«. Statt einer Antwort hauchte Jakob mir einen Kuss in den Nacken.
    »Ich kriege immer mehr Appetit«, seufzte er. »Und Muffins helfen da nicht.«
    Florian saß neben Dana, aber die beiden berührten sich nicht. Waren sie jetzt eigentlich zusammen oder nicht? Ich beschloss, Dana bei der nächsten Gelegenheit zu fragen. Wir hatten in der letzten Zeit viel zu wenig geredet. Das musste anders werden.
    Jetzt wünschte sich Tom einen Song. Adele, Set Fire To The Rain . Er saß mir genau gegenüber und hatte seinen
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