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Weltraumpartisanen 29: Zeitspule

Weltraumpartisanen 29: Zeitspule

Titel: Weltraumpartisanen 29: Zeitspule
Autoren: Mark Brandis
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lange noch – und man steht auch dort vor leeren Speichern?! Es wächst nichts nach. An eine neue Aussaat ist nicht zu denken.«
    Mir fiel auf, daß ich noch immer hinausstarrte – dorthin, wo um diese Zeit über dem weißen Schaumkranz der atlantischen Brandung die Sonne zu stehen pflegte. Ein heller Schimmer war alles, was von ihr zu erkennen war. Immerhin, ein Fortschritt. Der Staubschleier, der sich rings um die Erde spannte, begann fadenscheinig zu werden. Vor einem Monat hatte es selbst diesen Schimmer nicht gegeben.
    Harris erriet meine Gedanken.
    »Man rechnet mit sieben Jahren«, bemerkte er, »bis alles wieder in Ordnung ist. Sieben Jahre! So lange müssen wir irgendwie über die Runden kommen. Über siebzehn Milliarden Menschen wollen ernährt sein. Die Gretchenfrage lautet mehr denn je: wie? Selbst Hastings wird die Antwort schwerlich aus dem Ärmel schütteln können.«
    Ähnlich skeptisch hatte sich Sir Oleg geäußert. Weiß Gott, das Amt, das der ehemalige Gouverneur des Uranus übernommen hatte, war keines, um das man ihn beneiden mußte.
    »Ich bin kein Landwirt«, sagte ich. »Was ist das Hauptproblem?«
    Harris deutete hinaus.
    »Das da! Es wird nicht richtig Tag. Und ohne Sonnenlicht kein Chlorophyll, keine Fotosynthese. Hastings ist schon dabei, einen wissenschaftlichen Krisenstab um sich zu versammeln, um das Problem zu lösen.«
    »Mit Aussicht auf Erfolg?«
    Harris wiegte den Kopf.
    »Es gibt da eine vage Spur. Angeblich soll es schon einmal gelungen sein, eine Getreidesorte für arktische Bedingungen zu züchten oder doch zumindest genetisch zu berechnen – irgendso ein Weizen, der selbst aus einer Polarnacht noch genügend Restlicht gewinnt, um zu gedeihen. Damals bestand daran offenbar kein Interesse.«
    In meiner Erinnerung ging plötzlich eine Schleuse auf. Ich fühlte mich zurückversetzt auf INTERPLANAR XII, den stammelnden, gefolterten Commander Busch in meinen Armen. Ich beugte mich vor.
    »Doch nicht etwa der Gregorius-Weizen?«
    Harris machte eine müde Gebärde.
    »Ich glaube, so heißt das Zeug: Gregorius-Weizen. Aber Albert Gregorius ist tot und hat die genetische Formel mit ins Grab genommen, auf jeden Fall hat man sie in seinen Aufzeichnungen nicht gefunden und bis man die Sache experimentell rekonstruiert, können Jahre vergehen.« Harris schien es leid zu werden, sich noch länger mit der Hoffnungslosigkeit der Lage auseinanderzusetzen. Er sagte: »Über dem ganzen Gerede vergessen wir Ihre Frau, Brandis.«
    So war es. Bisher hatte ich Ruth O’Hara gerade von weitem zuwinken können. Nun wartete sie oben auf dem Parkdeck auf mich, um mich nach Hause zu fliegen.
    Harris reichte mir die linke Hand.
    »Wie lange bleiben Sie?«
    »Bis übermorgen, Sir«, erwiderte ich. »Dann geht’s zurück zum Uranus – wie ich hoffe, auf dem direkten Weg. Die Goldonische Sperre löst sich auf.«
    Ruth O’Hara hatte es bitter lernen müssen, auf mich zu warten. Als ich aus dem Aufzug stieg, stand sie da wie so oft, wenn ich von den Sternen heimkehrte. Ihr langes rotes Haar wehte im kalten Wind.
    »Mark!«
    »Ja, Ruth.«
    Und wie so oft zog ich sie an mich, um sie in die Arme zu schließen. Es klappte nicht. Das blondschopfige Ungeheuer, das sie im Arm hielt, hatte etwas dagegen. Es strampelte, kratzte und krähte Protest.
    »Biest!« entfuhr es mir.
    Ruth lachte.
    »Junior kann auch sehr nett sein. Du wirst es erleben.«
    Mark junior war ein Opfer der Großen Katastrophe, ein Findelkind. Ruth hatte den Dreijährigen vor dem Verhungern bewahrt und kurzerhand, den amtlichen Segen nicht erst abwartend, adoptiert. Gewissermaßen war ich jetzt also Vater – ein Zustand, an den ich mich erst noch gewöhnen mußte. Vor allem, da Mark junior mir keinen Schritt entgegenkam.
    »Was soll ich tun, Ruth?«
    »Sag ihm Guten Tag.«
    »Guten Tag, Junior!« sagte ich, wobei ich ihm den kleinen Finger zur Begrüßung reichte. Junior war begeistert. Er packte den Finger mit beiden Händen und biß hinein.
    »Na, warte …!« drohte ich.
    Ruth sagte etwas von Zeitlassen und Kennenlernen. Wahrscheinlich hatte sie recht damit. Aber der Finger tat nun mal weh.
     
    Die Libelle war aufgetankt. Ruth übernahm das Steuer. Beim Abheben schaltete sie die Lichter ein. Der Helikopter wühlte sich durch das zähe Grau. Unter uns lag, schwarz und reglos, die riesige Stadt. Die Brände waren, gelöscht, aber das einst so heitere atlantische Venedig war trotzdem nicht wiederzuerkennen. Es sah gealtert aus, verwahrlost,
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