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Weltraumpartisanen 29: Zeitspule

Weltraumpartisanen 29: Zeitspule

Titel: Weltraumpartisanen 29: Zeitspule
Autoren: Mark Brandis
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Betrieb war, und rannte zwanzig Treppen hinab bis in den 114. Stock.
    Maximow empfing mich im Schlafrock; mein Anruf hatte ihn aus dem ersten Schlaf gescheucht. Zu meiner Beruhigung ertrug er die unvermutete Störung mit slawischer Gelassenheit.
    »Ein seltener Gast!« sagte er – und selbst das war übertrieben, denn zuvor war ich noch nie bei ihm gewesen, wenn man davon absah, daß wir im Uranus-Tower, als er dort noch Dienst tat, gelegentlich miteinander geklönt hatten.
    »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte ich, »aber da gibt es, wie ich andeutete, ein paar Fragen, die heute noch geklärt werden müssen. Ich werde Sie nicht lange aufhalten.«
    Hinter Maximow lag, wie ich wußte, ein anstrengender Arbeitstag, und der bevorstehende würde kaum leichter sein. Im Rechenzentrum der VEGA herrschte aufgrund der Katastrophenlage Hochbetrieb. Auf der Suche nach Eingriffsmöglichkeiten in das Klima wurden die vertracktesten kosmischen Konstellationen simuliert.
    Maximow winkte ab.
    »Zeit für ein Gläschen sollte man sich schon nehmen, bevor man zur Sache kommt, Commander. Nur Grobiane fallen mit der Tür ins Haus.«
    Er besaß tatsächlich noch eine Wodkaflasche mit etwas Inhalt. Für welche Gelegenheit hatte er diesen Schatz so lange gehütet? Sollte ich ablehnen? Es hätte ihn gekränkt. Als echter Russe teilte er mit seinem späten Gast alles, was er besaß. So war es bei ihm Sitte.
    »Also, worauf trinken wir, Brandis?« erkundigte er sich, als er mir mein Glas reichte. »Nur Säufer und Flegel ersparen sich den Trinkspruch.«
    Ich sah ihn über das Glas hinweg an.
    »Auf die alten Zeiten! Wie wäre es damit?«
    »Warum nicht? Die alten Zeiten waren nicht die schlechtesten. Ihr Manko ist: Sie kehren nicht mehr wieder.«
    Er kippte den Wodka in sich hinein, als wäre er pures Wasser. Ich trank ihn langsam. Der Wodka rann mir die Kehle hinunter wie flüssiges Feuer.
    Dann kam ich zum Thema.
    »Wladimir – weshalb ich Sie aufsuche: Ich brauche Ihre Hilfe. Wenn mich nicht alles täuscht, hatten Sie auf der AS dieselben Lehrer wie ich, auf jeden Fall den für angewandte Philosophie …«
    Maximow war dafür bekannt, daß er ein Gedächtnis hatte wie ein Elefant.
    Auch diesmal wurde Maximow seinem Ruf gerecht. Er war sofort im Bilde.
    »Die Rede ist von Spinni!« stellte er fest.
    »Den meine ich«, sagte ich. »Wieso eigentlich hat man ihn Spinni getauft?«
    Maximow grinste genußvoll ob alter Erinnerungen.
    »War er ein Spinner oder etwa nicht? Er wollte die Geschichte der Menschheit umschreiben, speziell die der Antike. Ja, haben Sie das denn nicht mitbekommen, Brandis? Er ging doch förmlich damit hausieren.«
    Damals hatte ich mich nicht dafür interessiert. Die praktischen Fächer hatten bei mir Vorrang: Physik, Astrophysik, Mathematik, Navigation, Astronomie. Die Erinnerung an Professor Smirnoff glich immer noch einem Schiff im Nebel.
    »Da war so etwas wie eine Zeitspule, die er erfunden hatte oder erfunden haben wollte oder erst noch zu erfinden vorhatte …«
    Maximow nickte.
    »Genau das, Commander! Die Zeitspule. Spinnis Lebenswerk.«
    Der Nebel begann sich zu lichten – aber immer noch nicht genug.
    »Was wissen Sie darüber, Wladimir?«
    Maximow musterte mich nachdenklich.
    »Da Sie mich um die verdiente Nachtruhe bringen, um mich nach einem fast schon vergessenen Lehrer zu befragen, muß die Sache einigermaßen wichtig sein.«
    Sollte ich Maximow einweihen? Es war noch zu früh. Vielleicht vermutete ich Zusammenhänge, wo es überhaupt keine gab. Und es würde mir nie gelingen, Smirnoff auf Gregorius-Weizen zu reimen. Allerdings, falls der Reim aufging … Ich dachte daran, was Commander Busch widerfahren war.
    »Im Augenblick, Wladimir, ist es nur wichtig für mich«, gab ich zurück. »Können Sie sich damit zufrieden geben?«
    Maximows Blick drückte aus, daß er meine Zurückhaltung respektierte.
    »Schön«, sagte er. »Wo soll ich anfangen? Warum nicht bei Aristoteles? Jeder weiß – oder sollte wissen wer Aristoteles war: Eine Leuchte der Philosophie im alten Griechenland. Und nebenbei auch ein bedeutender Physiker. Er konnte das Atom schon beschreiben, noch bevor die Existenz des Atoms überhaupt bewiesen war.« Maximow schöpfte Atem. »Seine Schüler und Nachfolger vernachlässigten die Physik zugunsten der Metaphysik, der Lehre von den Urgründen des Seins. Mit einer Ausnahme. Das war Posidonios, der nach seinem Tode 344 v. Chr. in Vergessenheit geriet. Und vergessen wäre er geblieben,
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