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Weltraumpartisanen 17: Der Spiegelplanet

Titel: Weltraumpartisanen 17: Der Spiegelplanet
Autoren: Mark Brandis
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schließlich erhoben, blickte ich in bleiche, erschütterte Gesichter - und ich hatte das Gefühl, daß das meine nicht anders aussah. Den Tod eines Menschen aus nächster Nähe mitansehen zu müssen, ohne helfen zu können, ist immer wieder ein bitteres Erlebnis. Und so oft mir dies auch widerfuhr - ich vermochte mich daran nicht zu gewöhnen. Selten im Leben war mir elender zumute gewesen.
    Lieutenant Stroganow klopfte sich die Tannennadeln von der Kleidung und räusperte sich.
    „Sir, was ordnen Sie an?"
    Der Tag sollte kommen, an dem ich bereute, meinem ersten Impuls nach diesem barbarischen Schauspiel nicht nachgegeben zu haben: das Dingi zu besteigen und dem Spiegelplaneten für immer den Rücken zu kehren. Was ging er mich an? Ich war Testpilot der VEGA und kein Wissenschaftler. Mit diesem Argument konnte ich den Abbruch der Erkundung jederzeit rechtfertigen. Niemand würde mir je einen Vorwurf machen.
    Irgend etwas , was stärker war als dieser Impuls, zwang mich jedoch zu antworten:
    „Wir brechen auf. Ich will mir diese verdammte Stadt ansehen."
    Als ich hinaustrat auf das freie Feld, hob ich unwillkürlich den Kopf.
    Die Kronos befand sich längst in der Umlaufbahn: nicht zu sehen, nicht zu hören.
    Was immer auch geschehen mochte: vor Ablauf der vereinbarten Frist war von ihr keine Hilfe zu erwarten.
    Ich dachte an einen Film, den ich einmal gesehen hatte. Kleine grüne Männchen aus einem fernen Sonnensystem waren auf der Erde gelandet.
    Unsere Situation auf dem Spiegelplaneten unterschied sich von der ihren nur dadurch, daß wir uns als Menschen unter Menschen bewegten.
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    3.
    Die Straße, auf die wir eine halbe Stunde nach unserem Aufbruch stießen und der wir folgten, war menschenleer. Niemand behelligte uns. Wo früher einmal blühende Landwirtschaft geherrscht hatte, dehnten sich verwilderte Ländereien.
    Wir marschierten durch mehrere leere Dörfer. Eines davon, mit Namen Ljubanow , wie die verwitterte Ortstafel verkündete, schien erst vor kurzem geräumt worden zu sein. Der Verfall hatte noch nicht eingesetzt: Fenster, Dächer und Zäune waren intakt. Auf der Anschlagtafel vor dem Rathaus klebte ein vergilbtes Plakat:
    REICH - SATT - GLÜCKLICH
    Bekanntmachung
    Um die Quellen des Wohlstands im Lande zu sichern, wird mit sofortiger Wirkung die Sammlung aller Einwohner in den Städten angeordnet.
    Zuwiderhandelnde werden mit der ganzen Strenge des Gesetzes bestraft.
    Die Wohlstandspartei
    Quer über den Platz spannte sich ein windzerfetztes Transparent mit der Aufschrift: Arbeit ist Ausdruck einer reaktionären Gesinnung!
    Ich notierte mir die Texte, doch einstweilen ergaben sie für mich keinen Sinn.
    Wir setzten den Marsch fort, ohne uns aufzuhalten.
    Die Polizeipatrouille, die uns hätte gefährlich werden können, kündigte sich glücklicherweise durch ihren Motorenlärm rechtzeitig an, so daß wir im Graben in Deckung gehen konnten.
    Zwei Uniformierte auf Motorrädern donnerten vorüber. Ein anderes Mal mußten wir in Deckung gehen, als wir von einem Hubschrauber überflogen wurden. Der Hubschrauber flog tief und langsam, und auch er gehörte, wie die weißen Buchstaben am Rumpf verrieten, der Polizei. Was immer mit diesen Patrouillen bezweckt wurde - an ihrer Gründlichkeit war nicht zu zweifeln. Das Netz der Überwachung, das über dem Lande lag, war feinmaschig und - so mein Eindruck -äußerst wirkungsvoll.
    Die beiden Lieutenants machten ihrer Verunsicherung Luft in Hohn und Spott.
    „Ich werde", sagte Stroganow, „ein solches Transparent mitnehmen und in der Empfangshalle der VEGA aufhängen."
    „Das geht nicht!" widersprach Torrente mit todernstem Gesicht. „Bereits das Aufhängen ist mit Arbeit verbunden und stellt einen reaktionären Akt dar."
    Ich marschierte schweigend. Zu viele Fragen, auf die es bislang keine Antwort gab, drängten auf mich ein. Was ging auf diesem erdgleichen Planeten vor?
    Ein warmer, samtdunkler Abend brach an. Schon von weitem sahen wir die Lichter der Stadt - und auch dies war ein Anblick, der heimatliche Empfindungen wachrief.
    Lieutenant Torrente blieb plötzlich stehen und deutete voraus:
    „Sehen Sie sich das an, Sir!"
    Eben noch hatte ich mich versucht gefühlt zu träumen; nun, mit einem Schlage, war ich hellwach.
    Vor der Stadt spannte sich quer über die Straße ein Schlagbaum; daneben erhoben sich zwei Baracken, eine zu jeder Seite. Vor dem Schlagbaum stand eine stumme Schlange von mindestens hundert Menschen- Männer, Frauen und Kinder.
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