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Weltraumpartisanen 17: Der Spiegelplanet

Titel: Weltraumpartisanen 17: Der Spiegelplanet
Autoren: Mark Brandis
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lichtüberfluteten Plätzen.
    So und nicht anders hatten auch auf der Erde die großen Städte ausgesehen; New York, Paris, Kalkutta, Berlin, Tokio, Shanghai: gegen Ende des 20. Jahrhunderts, bevor die großen Kriege ausbrachen und viele von ihnen verwüsteten.
    Lieutenant Stroganow hatte sich mein Glas geliehen. Nun bemerkte er:
    „Fällt Ihnen nichts auf, Sir?"
    „Was?"
    „Etwas Sonderbares, Sir. Der ganze Verkehr - achten Sie einmal darauf - beschränkt sich auf das Stadtgebiet. Auf den Ausfallstraßen werden Sie kein einziges Fahrzeug entdecken."
    Ich nahm ihm das Glas aus der Hand. Tatsächlich, alle Bewegung vollzog sich innerhalb abgezirkelter Grenzen; sie endete dort, wo sich die letzten Häuser erhoben, in den Vororten. Rings um die Stadt lag die Landschaft leer, verlassen und erstarrt: mit verwaisten Straßen und längst vom Unkraut fast bis zur Unkenntlichkeit überwucherten Ackern.
    Über dem Höhenzug, der die Stadt von der Fabrik trennte, zog ich das Dingi noch einmal empor, um ein letztes Mal vor der Landung Umschau zu halten.
    Es war später Nachmittag; die Sonne neigte sich dem Horizont zu. Der Wald und die Wiesen wirkten still und friedlich - eine Idylle wie auf der Postkarte. Weit und breit war kein Mensch zu sehen.
    Ich sagte: „Nun, Gentlemen - es ist soweit."
    Auf einer Lichtung im Wald setzte ich das Dingi auf und stellte das Triebwerk ab. Nach außen hin gab ich mich ruhig und gelassen; in Wirklichkeit durchlebte ich einen der erregendsten Momente meines Lebens. Als erster Commander eines von der Erde stammenden Raumschiffes hatte ich die Sonne umrundet; als erster Botschafter der irdischen Zivilisation war ich gelandet auf dem Spiegelplaneten. Und kaum weniger erregt und bewegt fühlte ich mich, als ich nach langer astraler Reise aus dem lebenerhaltenden Mechanismus Dingi hinaussprang in weiches, nachgiebiges Moos, in eine sommerlich milde, nach Tannenharz duftende Luft, in schmeichelndes, erquickendes Sonnenlicht unter einem tiefblauen, mit weißen Wölkchen betupften Himmel.
    Lieutenant Stroganow atmete tief die würzige Luft ein. „Wenn ich nicht genau wüßte , Sir, das ist nicht die Erde, dann..."
    Ich verstand, was er sagen wollte. Mir ging es nicht anders. Die Versuchung, sich endlich daheim zu fühlen und alle Vorsicht außer acht zu lassen, war fast übermächtig.
    Lieutenant Torrente hatte ihr bereits nachgegeben. Er kauerte vor einem sprudelnden Quell und schöpfte Wasser mit der hohlen Hand.
    „Lieutenant Torrente", warnte ich ihn, „Sie vergessen, wo Sie sind. Wir müssen zunächst die Qualität des Wassers prüfen. Danach nehmen Sie Ihr Messer und schneiden Sie so viele grüne Äste, wie Sie tragen können."
    Eine Stunde später, als wir den Landeplatz verließen, war vom Dingi nichts mehr zu sehen. Jemand, der zufälligerweise die Lichtung betrat, mußte schon die Zweige anheben, um zu entdecken, was sich darunter verbarg. Die Wahrscheinlichkeit, daß das geschehen konnte, war verschwindend gering. Der Wald hatte schon seit Jahren keine ordnende Hand mehr gesehen. Das Unterholz wucherte, und so, wie die alten Bäume stürzten, blieben sie liegen und verfaulten.
    Der Ort der Landung war von mir sorgfältig gewählt: Weit genug entfernt von der Stadt, um deren Bewohner nicht aufmerksam werden zu lassen, und doch nahe genug, um sie zu Fuß ohne übermäßige Strapazen zu erreichen. Der bewaldete Höhenzug war weithin zu sehen; im Falle eines überstürzten Rückzuges konnte das von Wichtigkeit sein.
    Solange wir uns im Wald befanden, marschierten wir ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen. Dann jedoch, als vor unseren Blicken, eingehüllt in goldenes Abendlicht, die Ebene auftauchte, blieben wir stehen, und ich schickte Lieutenant Torrente vor, um eine erste Erkundung vorzunehmen. Ich sah, wie er sich entfernte, mit dem geschmeidigen, leichtfüßigen Gang des Indianers; und ich sah auch, wie er nach einigen Dutzend Schritten plötzlich stutzte, kehrt machte und geduckt zurückgerannt kam.
    Seine Stimme klang gedämpft: „In Deckung, Sir! Leute. Ein Mann, der flüchtet, zwei Polizisten, die ihn verfolgen."
    Ohne die wachen Sinne des Zweiten Bordingenieurs der Kronos hätte dieser erste Tag auf dem Spiegelplaneten für uns ein vorzeitiges und wohl auch schlimmes Ende genommen. Lieutenant Torrente, in dessen Adern das Blut der Yaqui -Indianer floß - konzentrierte Erinnerung an Gefahr, Verfolgung und allgegenwärtigen Tod -, bewahrte uns davor.
    Wir hatten gerade noch Zeit genug,
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