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Weltenende (German Edition)

Weltenende (German Edition)

Titel: Weltenende (German Edition)
Autoren: André Caspari
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Barriere. Aber wirklich nötig war es nicht. Sobald Carl die Barriere berührte, löste sie sich auf. Jonas stolperte und wegen des fehlenden Widerstands prallte er keuchend gegen die seitliche Wand, strauchelte mit den Füßen und fiel die Treppe hinunter vor die Füße der vierundzwanzig Ältesten. Sie saßen auf ihren Thronen, wandten ihre Blicke nach ihm. Sie beobachteten ihn, betrachteten das Geschehen aber vollends teilnahmslos. Sie waren die Beobachter, Zeugen, passiv, deren eigentliche Zeit längst verstrichen war, die auf ein endgültiges Ende hinfieberten wie Kinder auf den Weihnachtsabend und doch war es ihnen vollkommen gleich, ob es jetzt, morgen oder in hunderten von Jahren geschah. In der Rückwand hinter dem Tisch, auf dem die Rolle lag, klaffte ein riesiges Tor, wabernd und wässrig und voller Flammen. Die Fackeln der Sieben schwebten noch immer frei im Raum, warfen zuckendes Licht an die Wände und malten Schatten in die Gesichter der Ältesten. Auf dem Boden lag der Leichnam des Mannes der Ombrage, von einem Pfeil durchlöchert und enthauptet.
    „Beeil dich! “, rief Carl. „Bevor der nächste Reiter kommt.“ Er war hinter ihm die Treppe heruntergekommen.
    Jonas kam mühevoll auf die Beine.
    Die Rolle war geöffnet, das Pergament ausgebreitet auf dem Tisch. Jonas trat um den Tisch, berührte das Papier, spürte augenblicklich die Kraft darin, die wie Stromstöße in seine Finger floss. Die Schrift war deutlich, klar, in blutroter Tinte verfasst und in jener alten Sprache, in der Gott die Welt erschaffen hatte. Nur mit Mühe widerstand er dem Drang die Worte zu lesen, das Ende selbst zu lesen, aber Jonas wusste, dass er das nicht durfte, auch wenn diese Zeilen ihn riefen und verführen wollten. Er hörte Stimmen, leise, eindringlich, die nur das wollten, das Ende. Er gab sich einen Ruck, widersetzte sich der Verführung. Mit zuckenden Händen rollte Joans das Pergament zusammen und mit jeder Zeile die vor seinen Augen verschwand, ging es leichter. Dann holte er das Wachs aus der Tasche und trat zu einer Fackel. Er hielt das leuchtende Stück in die Flammen und musste fast zwei Hände nehmen, so sehr zitterte er.
    „Nein!“ Es war Gutenberg, der stolpernd die Treppe herunterkam. Aus dem Gürtel riss er eine Pistole, zielte auf Jonas und drückte ohne Zögern ab. Die erste Kugel prallte kreischend von den Betonwand; die zweite schlug in den Tisch und verfehlte Jonas nur um Haaresbreite. Carl sprang und stieß Gutenberg zur Seite. Ein weiterer Schuss löste sich, prallte gegen die Wände, ehe die Waffe scheppernd zu Boden fiel.
    Mit zittrigen Fingern strich Jonas das weiche Wachs auf das Pergament u nd drückte den Siegelring an seinem Zeigefinger hinein. Das Zeichen in seiner Hand glühte auf, bereitete ihm irre Schmerzen, viel stärker als der Dolchstich in seiner Seite, viel stärker als damals, als er das Zeichen bekommen hatte. Es raubte ihm die Sinne und betäubt fiel er zu Boden. Gutenberg stieß Carl mit einem Fausthieb zur Seite und erblickte die Rolle, die aufs neue von sieben Siegeln eingeschlossen wurde, gleichzeitig löste sich das wabernde Tor in der Wand auf, wurde durchsichtig, bis nur noch der nackte Beton blieb. Gutenberg schrie aus innerster Seele und verfluchte Jonas.
    Geistesgegenwärtig griff Carl nach Gutenbergs Waffe und richtete sie auf ihn.
    Die Schmerzen in Jonas ließen nach. Er kam schwerfällig auf die Beine.
    „ Du verdammter ...“ Gutenberg wollte sich auf ihn stürzen, aber Carl war schneller, zog ihm im Vorbeispringen den Knauf der Waffe über den Nacken und streckte ihn bewusstlos nieder.
    Die vierundzwanzig Ältesten erhoben sich von ihren Plätzen, liefen in alle Richtungen davon und verschwanden in den Wänden. Nach dem letzten lösten sich die Stühle auf und die sieben Flammen erloschen. Jonas und Carl standen im Dunkel. Der Vorhang war gefallen.
    Jonas tastete nach der Rolle und als er sie gefunden hatte, verließen sie den Bunker.
    Es regnete nicht mehr. Georg stand auf der Düne und starrte auf die Leichen vor dem Eingang. Er sah sie, aber Carl und Jonas liefen einfach vorbei. Jonas schnippte mit den Fingern und die Leichen gingen in Flammen auf. Das Feuer würde alles verzehren, bis nichts mehr von ihrer teuflischen Natur übrig bleiben würde, bis niemand mehr irgendetwas finden würde.
     

EPILOG
    Barney und Fanny z u erklären, was tatsächlich auf Rabensruh geschehen war, war natürlich unmöglich. Die Behörden stellten Nachforschungen an,
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