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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman
Autoren: Heyne
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hatten sie nie begriffen, wozu sie fähig war und was sie ihnen verheimlicht hatte. Denn tief drinnen hatte sie einen Kern, eine stählerne Seele der Wut, die sie nie erahnt hatten, weil sie sie die ganze Zeit vor ihnen verborgen und ihr erst jetzt freien Lauf gelassen hatte, als sie dachten, sie für ihre Zwecke benutzen zu können, und stattdessen eine böse Überraschung erlebt hatten. Nun gut!
    Die Menschen, die übernommen worden waren, kamen plötzlich wieder zu sich; taumelnd und verblüfft schauten sie sich um und fragten sich, wo der Tag hingegangen war. Die Frau in dem orangefarbenen Veloursanzug versuchte, sich zu orientieren, ohne den wenige Schritte entfernten Mann in der hellbraunen Jacke zu registrieren. Sie drehte sich um und musterte bestürzt die merkwürdige Frau in
dem Hotelfrotteemantel, dann drängte sie an ihr vorbei und wurde von der Menge verschluckt.
    Nur er ging nicht, bemerkte Bisquitine. Der Mann in der hellbraunen Jacke. Er hatte genau auf der Mitte der Brücke gewartet und dem anderen, der sich dann entfernt hatte (und kurz darauf ganz von allein verschwunden war), eine Kassette gegeben. Danach hatte er die herrische, orange gekleidete Frau festgehalten und immer wieder zu Bisquitine hergeschaut. Alle anderen waren weg, nur dieser Mann war noch da.
    Stirnrunzelnd kniff sie die Augen zusammen. Sie schob das Kinn vor und biss sich auf die Unterlippe. »Du bist wohl nich’ aus der Gegend.«
    »Du kannst jetzt aufhören«, sagte er sanft zu ihr. Überhaupt fand sie ihn sehr zartfühlend.
    »Das is’ kein Witz, Fritz. Das is’ kein Blitz, Schmitz.«
    »Darf ich nach deinem Namen fragen? Du heißt Bisquitine, stimmt’s?«
    Sie ging in Habachtstellung und salutierte. »Von Rechts wegen, von Links gegen. Geradeaus bis irgendwo. Oder so.«
    »Erinnerst du dich an mich, Bisquitine? Bei unserer letzten Begegnung haben sie dich noch Versuchsperson sieben genannt. Wir haben miteinander geredet, weißt du noch?«
    Bisquitine schüttelte den Kopf. »Demenzi: Haftungsausschluss für Handlungen der früheren Verwaltung. Jetzt unter alter Leitung.«
    »Du erinnerst dich also gar nicht an mich?«
    »Festwach, hellschläfrig. Hast dein Tüchlein verloren, oder? Hab auch mal eins gehabt, aber nich’ grau, sondern gelb.«
    »Aha.« Der Mann strahlte sie an. (Jetzt wusste sie es. Irgendwie war er ihr gleich bekannt vorgekommen. Die Frau
steckte in dem Mann. Ganz schön verdreht!) »Und«, fragte die Mannfrau, »alles in Ordnung mit dir?«
    »Wir entschuldigen uns für die aufgetretenen Annehmlichkeiten.«
    »Hör zu, Sieben, Bisquitine; ich muss bald weg. Kann ich davor vielleicht noch was für dich tun?«
    »Yo Man, voll cool, Alter. Heiße Sache.«
    »Kommst du ein Stück mit? Wir suchen uns ein Café und essen vielleicht eine Kleinigkeit. Was hältst du davon?«
    »Potz Blitz, Matrose! Zeit für ein neues Kaputtel, alter Schwede!«
    »Darf ich deine Hand nehmen?«
    »Das haben schon Bessere als du probiert, Prokurator. Lass mich, ich halt dich nur auf. Das is’ ein Befehl, Mister. Bloß wech hier.«
    »Schon gut. Komm, wir setzen uns hin. Keine Angst. Ich schick jemanden, der dich abholt.«
    »Schröck lass nach. Es gibt kein Zurück aus der Freiheit. Nich’ mit mir.«
    »Meine Leute, nicht die anderen. Die tun dir nichts, ehrlich.«
    »Es geht nicht um dich, sondern um mich.«
    »Ziehen wir doch mal den Morgenmantel zu, ja? So.«
    »Ich übernehme die volle Verantwortung.«
    »Schon besser.«
    »Schon komisch, das Leben, Sportsfreund.«
    »Alles klar?«
    »Beliebig.«

EPILOG

PATIENT 8262
    Es endet folgendermaßen: Er kommt in mein Zimmer. Schwarz gekleidet und mit Handschuhen. Hier drinnen ist es dunkel, nur ein Nachtlicht brennt, aber er kann mich auf dem Krankenhausbett erkennen, leicht aufgestützt und durch ein oder zwei Schläuche und Kabel mit medizinischen Apparaten verbunden. Diesen schenkt er keine Beachtung. Der Pfleger, der jeden Alarm registrieren müsste, liegt gefesselt und geknebelt auf seiner Station, der Monitor vor ihm ist abgeschaltet. Der Mann schließt die Tür, und im Zimmer wird es noch dunkler. Leise tritt er heran, obwohl es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass ich aufwache, da man mir ein leichtes Beruhigungsmittel verabreicht hat, damit ich gut schlafe. Er betrachtet mein Bett. Selbst bei dem schwachen Licht kann er ausmachen, dass mich die Decke eng umschlungen hält. Beruhigt greift er nach dem Reservekissen neben meinem Ohr und schiebt es mir - sachte zuerst - übers
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