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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman
Autoren: Heyne
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Gesicht, dann drückt er es rasch auf mich nieder, die Hände zu beiden Seiten meines Kopfs, und hält meine unter dem Bettzeug gefangenen Arme mit den Ellbogen fest. Fast sein ganzes Gewicht ruht auf seinem Oberkörper, und seine Füße heben sich vom Boden, bis er ihn nur noch mit den Schuhspitzen berührt.
    Anfangs reagiere ich gar nicht. Als ich mich endlich bewege, lächelt er. Meine schwachen Anstrengungen, die Hände nach oben zu zerren und mich mit den Beinen freizustrampeln, bleiben vergeblich. Eingehüllt in die Decke
wäre es selbst einem kräftigen Mann kaum gelungen, sich von dieser erstickenden Last zu befreien. Mit einem letzten, hoffnungslosen Aufbäumen versuche ich, einen Buckel zu machen. Mühelos übersteht er diese Aufwallung, und ich sinke zurück. Jede Gegenwehr erlischt.
    Aber er ist nicht dumm; er rechnet damit, dass ich mich tot stellen könnte.
    Also legt er sich eine Weile quer über mich, reglos wie ich, und wirft hin und wieder einen Blick auf die Uhr, die die vorübertickenden Sekunden anzeigt, um ganz sicher zu sein, dass ich erledigt bin.
    Doch das Gerät, das meinen Herzschlag überwacht, hat kein schneller werdendes Piepen von sich gegeben, das mein Ableben anzeigt. Nicht der geringste Alarm ist ertönt. Das macht ihm ein wenig Sorgen, weil er eigentlich damit gerechnet hat. Vermutlich schielt er auf seine Armbanduhr. So erkennt er, dass er seit meiner letzten Bewegung schon über zwei Minuten auf mir gelegen hat. Ich stelle mir seine leichte Verwirrung vor. Er drückt noch stärker auf mich nieder, bis sich seine Schuhsohlen mit einem Quietschen vom polierten Boden abheben. Die physiologischen Grenzen sind ihm genauso vertraut wie mir, daher weiß er, dass nach vier Minuten der Gehirntod eintreten muss. Er wartet, bis die entsprechende Zeit verstrichen ist.
    Dann lockert er den Griff und löst das Kissen vorsichtig von mir. Kurz darauf zieht er es ganz weg und späht gespannt, aber nicht unbedingt besorgt hinüber zu den Überwachungsgeräten am Fußende des Betts. Als er sich wieder zu mir wendet, liegt ein leises Stirnrunzeln auf seinem Gesicht.
    Vielleicht haben sich seine Augen besser an das Halbdunkel
gewöhnt, oder vielleicht sucht er nach einer Erklärung für das Ausbleiben des Alarms. Schließlich entdeckt er den dünnen, durchsichtigen und bei diesem Licht fast unsichtbaren Schlauch, der von der Sauerstoffflasche zwischen all den anderen Geräten zu meiner Nase führt. (Durch Lider, die nur einen Spalt geöffnet sind, kann ich erkennen, wie er plötzlich die Augen aufreißt.)
    Mein rechter Arm gleitet aus der Bettdecke. Sobald ich die unüblichen Geräusche draußen auf dem Gang gehört habe, habe ich nach dem Schälmesser auf dem Sims hinter dem Nachttisch getastet. Auch den Herzmonitor habe ich abgestellt. Ich reiße die Hand mit dem Messer hoch und treffe das Kissen, als er den Hieb zu parieren versucht. Tausende von weißen Schaumstoffstückchen quellen aus dem Schlitz und schweben wie Schneegestöber herab. Er stolpert zur Tür und hält sich eine Hand mit der anderen. Vollkommen erschöpft falle ich zu Boden und ziehe einen Zipfel von Bettzeug hinter mir her, das noch immer halb um meine Beine gewickelt ist. Durch meinen Sturz werden Kabel und Schläuche abgetrennt und in irgendwelchen Geräten Alarmtöne ausgelöst.
    Wenn er nicht verletzt wäre und ihn die Ereignisse nicht so überrumpelt hätten, hätte sich der Angreifer vielleicht besonnen und meine Schwäche ausgenutzt, um die Sache zu Ende zu führen, doch so kracht er taumelnd gegen die Tür, zerrt sie auf und rennt hinaus. Von seiner Hand tropft Blut, dunkel wie Tinte. Endlich, als würde ich geboren, kann ich mich aus dem Bettzeug befreien, und liege keuchend auf dem blutglatten Boden zwischen weichen Schaumstoffstückchen, während andere noch immer durch die Luft segeln.
    Doch niemand kommt. Schließlich muss ich selbst durch
den Gang wanken und die Fesseln des diensthabenden Pflegers durchschneiden, damit er die Polizei ruft.
    Erschöpft sinke ich auf dem Boden zusammen.
     
    Früh am nächsten Morgen finden sie den Angreifer tot in seinem zerschmetterten Wagen. An einer stillen Straße einige Kilometer von der Klinik entfernt ist das Auto frontal gegen einen Baum geprallt. Seine Handverletzung war nicht lebensgefährlich, aber er hat sich nicht die Zeit genommen, die Blutung richtig zu stillen. Die Polizei geht davon aus, dass er einem Tier ausweichen wollte - wahrscheinlich einem Reh oder Fuchs - und
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