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Welt der Elben (Band 2: Weltenriss, Götterwille, Herzblut) (German Edition)

Welt der Elben (Band 2: Weltenriss, Götterwille, Herzblut) (German Edition)

Titel: Welt der Elben (Band 2: Weltenriss, Götterwille, Herzblut) (German Edition)
Autoren: Sue Twin
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Dann sah er seinen Vater. Er blickte streng.
    »Komm«, rief seine Mutter und griff nach seiner Hand. Moryn
blickte verwundert auf seine Hand, es war die eines Kindes. Seine Mutter zog
ihn mit sich fort. Er lief mit ihr durch einen endlosen Wald. Still war es
hier. Das gefiel ihm. Hier wollte er bleiben. Aber als er stehen blieb, drehte
sich der Raum um ihn.
    Er taumelte und landete auf einer schwarzen Bühne. Jemand
überreichte ihm eine Urkunde. »Für besondere schulische Leistungen« stand
darauf. Vater und Mutter streckten die Hände nach ihm aus.
    Er griff zu und hatte im nächsten Moment rote Kirschen in
beiden Händen. Der Saft lief ihm zwischen den Fingern hindurch. Überrascht
legte er den Kopf in den Nacken. Über ihm war der Himmel. Leuchtend blau und unendlich.
    Jemand rief seinen Namen.
    Moryn wirbelte herum. Es war sein Vater und er sah ihn ernst
an. Wo war seine Mutter? Moryn rüttelte an den Schultern seines Vaters, aber er
erhielt keine Antwort. Sein Vater weinte und die Tränen versteinerten. Sie
fielen auf den Boden und alles um ihn herum versteinerte. Zuletzt war das Gesicht
seines Vaters versteinert.
    Moryn trat vor einen Spiegel und erkannte, dass auch sein
Gesicht aus Stein war.
    Und dann, im nächsten Moment, fiel er wieder.
    Er fiel und fiel.
    Schließlich … ah, endlich die Erleichterung, tot zu sein.
    Sein schmerzendes Herz hörte auf zu schlagen.
    Tot!

 
    In diesem Moment erwachte Moryn schweißgebadet und
schmeckte Blut auf den Lippen. Offenbar hatte er sich darauf gebissen. Er
richtete sich im Bett auf und spähte zum Fenster hinaus. Draußen dämmerte es
gerade. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen. Er schob die Füße aus dem Bett
und setzte sie auf den Boden. Sein nackter Oberkörper war nassgeschwitzt,
obwohl es im Zimmer kalt war.
    Zu Hause hatten sie jetzt noch Sommer.
    Auch das vorbei, dachte er. Mein letzter Sommer.
    Er wischte sich über die Stirn. Die Träume hatten wieder
angefangen. Übermächtige Visionen. Sie liefen immer gleich ab: Alles begann mit
Heather und endete mit seinem Tod.
    Moryn rieb sich die Augen. Alles kreiste um dieses Mädchen.
Tagsüber konnte er sie aus seinen Gedanken verdrängen. Aber nachts, wenn er
schlief, verlor er die Kontrolle über seinen Geist. Dann sah er Heather und wie
sie oben am Felsen die Hand nach ihm ausstreckte.
    Das war seine Zukunft. Er sah sich und er sah sie. Aber
er würde es nicht zulassen, dass sie beide in die Tiefe stürzten.
    Niemals könnte sie ihn festhalten. In seiner traumhaften
Vision schenkten die Götter ihm ein Amulett. Es kam aus der Lava. Moryn fing es
und warf es in die Höhe.
    Er überlegte. Wenn es soweit war, musste er dafür sorgen,
dass sein Volk das Amulett bekam. Es war überlebenswichtig für die Elben und
die Menschen. Nur damit hätten sie eine Chance, die Zerstörung der Welten zu
stoppen. Er würde Heather ein letztes Mal in die Augen sehen und dann loslassen.
Bereit zum Tod in der alles verschlingenden Lava.
    So hatte er es gesehen. Beinahe Nacht für Nacht. Und so würde
es sein. Es gab kein Entrinnen. Vergangenheit und Zukunft verschmolzen
miteinander.
    Niemandem hatte er von seinen Träumen erzählt. Nicht einmal
der Priesterin Maya Eura. Was könnten die Weisen und die Priester schon ändern
an den Dingen, die bereits fest standen?
    Moryn wischte sich mit dem Handrücken den brennenden Schweiß
von den Augen. Oder waren es Tränen?
    Gestern hatte Zalym etwas von einer eiskalten Unterwelt
erzählt. So kalt, dass es dem Elben Angst machte. Moryn sah das anders. Für ihn
war die Hölle nicht eiskalt, sondern mehrere tausend Grad heiß und sehr real.
Angst empfand er ebenfalls – fürchterliche Angst. Sie raubte ihm beinahe den
Verstand.
    Gestern hatten sie Heather alles gesagt, was sie über die
drohende Katastrophe wussten. Heather hatte gefasst reagiert – ziemlich gefasst
sogar für einen Menschen, der nicht gelernt hatte, auf die Stimmen der Natur zu
hören. Sie hätte auch lachen und die Elben für verrückt erklären können. Aber
sie hatte ihnen geglaubt.
    »Was wird passieren?«, hatte sie gefragt. Zalym und Tessya
wussten es nicht. Doch die Beben, die aus der Tiefe der Planeten aufstiegen,
zornig und grollend – sie waren nur der Anfang. Daran zweifelte Moryn keine
Sekunde.
    Er musste an den Rat der Weisen denken. Niemand hatte es
gewagt, die Dinge zu Ende zu denken. Moryn wusste auch so, wie es enden würde.
    Aion und Tellus würden auseinanderbrechen.
    Ja, das würde geschehen,
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