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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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erledigte die Tagesarbeiten.
    Des Abends begann sie in ihrem Häuschen schon zu sortieren, was sie in den Urlaub mitnehmen würde, was sie nach Philadelphia mitnehmen wollte, was wegzuwerfen war, was zu verschenken blieb. Obwohl sie bei ihrem stets wechselnden Leben nie Unnützes angesammelt hatte, fand sich doch an jeder Station irgend etwas ein, was auf der nächsten nicht mehr brauchbar schien.
    Ihr Abschied von New City war anderer Art als der Abschied von irgendeiner ihrer bisherigen Arbeitsstellen und Wohnorte. Das warme Wohlwollen, das sie bisher bei den angesehenen Bürgern von New City genossen hatte, war einer unterkühlten Temperatur ihrer gesellschaftlichen Beziehungen gewichen. Sie hatte sich in dem Kreise der Geschworenen in einer schwierigen Frage durchgesetzt, vor allem auf Grund der Argumente von Mister Laughlin, daß man keine Präzedenzfälle für die Verurteilung von Notwehrhandlungen schaffen und sich nicht die Blöße geben dürfe, nach dem Freispruch George Mac Leans ein offensichtlich rassistisch begründetes Urteil gegen Joe King zu fällen, noch dazu in einer Situation, in der die »publicity« auf Grund der Aktivitäten des Stammes nicht mehr zu vermeiden war. Die Geschworenen, übermüdet, überredet, nachgiebig gegen den angesehenen Laughlin, der auf Miss Greens Seite übergewechselt war, ärgerten sich später über die Umwandlung ihrer eigenen Entscheidung, und dieser Ärger verbreitete sich und nahm Richtung gegen Lucie Green. Sie fühlte sich als Märtyrerin ihrer Überzeugung, aber durchaus nicht gewillt, auszuharren und weitere Opfer zu bringen. Lucie war kein prinzipieller Nonkonformist. Sie war Mormonin, zuweilen missionarisch gestimmt und so tätig. Sie war aktiv und wollte arbeiten. Sie brauchte eine Stelle, wo sie ohne psychische Belastung arbeiten konnte und nicht von manchen abgelehnt, von manchen bemitleidet, von manchen verfemt wurde. Die Stadt, die sie verließ, wurde in ihren Augen eine Provinzsiedlung ohne Niveau. Sie hatte einen heroischen Augenblick mit einem unpopulären Erfolg erlebt und wollte sich daran immer mit angenehmem Grauen erinnern. Aber aus diesem punktuellen Erlebnis konnte keine Leitlinie für ihr weiteres Leben werden. Einen Moment überhöht, ging Lucie auf ihr normales Format zurück. Sie vergaß aber nie, daß die Besonderheit jenes Augenblicks mit Menschen zusammenhing, aus deren Reihen einer ihrer Vorfahren stammte und aus deren früheren Geschlechtern nach ihrem Glauben »Mormon« hervorgegangen war. Ihre Beziehung zur indianischen Kultur erhielt trotz allen persönlichen Rückzugs in die Konformität eine neue Beleuchtung. Es blieb für sie aber eine Frage übrig, mit der sie nie ganz fertig wurde. Warum hatte Mister Laughlin seine Popularität nicht ebenso eingebüßt wie sie selbst? Weil er ein Mann war und nicht eine Frau? Weil er ein reicher Mann und ein Jurist war mit immer selbstbewußter Haltung und nicht eine bescheiden bezahlte Museumsangestellte? Weil er ein Ansässiger New Citys schon vom Vater her und kein Zugezogener war? Weil seine Argumente nicht sonderbare, etwas verdächtige religiöse Überzeugungen und persönliche Sympathien mit einigen Indianern verrieten, sondern ganz aus dem nüchternen Interesse der Bürger von New City formuliert waren? Oder hatte es den Bürgern von New City gefallen, daß Laughlin seine Meinung wechseln konnte, und so einflußreich er auch sein mochte, doch immer von der Meinung der Bürger New Citys beeinflußbar blieb? Er gehörte zu denen, die Lucie Green jetzt mit einem gewissen Mitleid und einer ironisch gefärbten Achtung behandelten. Sie verübelte es ihm nicht einmal, aber sie mochte auch ihn nicht mehr sehen.
    Während Lucie Green arbeitete, räumte und grübelte, hatten Tashina und Oiseda Joes Schwester in ihrer Hütte besucht, mit den Kindern geplaudert und gespielt und gingen nun zu der Behausung Montures.
    Edgar war von seinem Besuch bei Andy am Vorabend zurückgekommen. Er war sehr ernst, aber nicht mutlos gestimmt. Andy Tigers letzte Stunde hatte er miterlebt. Man hatte ihm nicht verweigert, am Bett des Sterbenden zu sitzen und seinen Letzten Willen zu vernehmen, ehe das Bewußtsein erlosch. Edgar und Ken hatten an der Beerdigung teilgenommen. Das Begräbnis des jungen großen indianischen Oppositionsführers konnte eine Demonstration für die indianische Sache werden, aber die Verwaltung hatte dem die Spitze abgebrochen. Der Hohe Kommissar selbst war zu den Begräbnisfeierlichkeiten
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