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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum
Autoren: Virginia Kantra
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Kugel aus geschmolzenem Glas. Die Raserei des Dämons pulsierte, dem Schlag eines Herzens ähnlich, durch die durchsichtigen Wände. Farben huschten über die gewölbte Oberfläche, Rot und Blau, Grün und Gold, während Tan sich auflodernd gegen sie warf. Schicht um Schicht, jede noch widerstandsfähiger, noch stärker, noch undurchlässiger, verlor Margred an Kraft und er an Existenz.
    Schicht um Schicht schloss ihn ein, mauerte ihn ein in einen großen, blaugrünen, glühenden Ball, bis das Feuer des Dämons verlosch.
    Und alles wurde dunkel.
     
    Maggie.
    Sie trieb wie eine Meeresgeborene dahin, ein Kind von Gezeiten und Schaum, ohne Körper oder bewussten Gedanken. Ohne Schmerz. Ohne Erinnerung. War dies der Tod? Dann war er sehr friedlich.
»Es gibt Schlimmeres als den Tod.«
    Ach, Caleb …
    Ein Stachel aus Schmerz durchbohrte sie, Licht in der Dunkelheit. Sie zuckte zusammen, hatte Mühe zu bleiben, weiter durch die kühle, ruhige Dunkelheit zu schweben.
    »Maggie.«
    Die Stimme verstörte sie, hart und drängend, wie ein Stein, der in einen Teich geworfen wurde. Sie durchdrang sie, zog sie zum Licht. Sie strampelte, keuchte. Sie wollte nicht dorthin. Sie wollte sich nicht erinnern …
    Caleb war tot.
    »Maggie, Süße, komm schon.«
    Er klang gar nicht tot. Er klang … heiser. Durcheinander.
    Sie öffnete die Augen und sah sein mitgenommenes Gesicht über sich, umgeben vom Himmel. Sie blinzelte. Hustete. »Wo sind wir?«
    Selkies kamen nicht in den Himmel …
    Caleb gab einen Laut zwischen Lachen und Ächzen von sich. »Auf dem Steg. Dylan hat dich aus dem Wasser gezogen. Er hat uns beide gerettet.«
    Dylan geriet undeutlich in den Blick, als Schatten hinter Calebs Schulter. »Vergebene Liebesmüh. Du wirst sowieso verbluten, wenn du nicht endlich diese Schusswunde versorgst … Sieh an, das hat sie wieder zu sich gebracht«, sagte er, Zufriedenheit in der Stimme.
    »Halt die Klappe«, blaffte Caleb.
    Er würde verbluten …
    Margred kämpfte sich in eine sitzende Position. Ihre Hände brannten. Ihre Beine bluteten, sie hatte sie sich an den Felsen aufgeschlagen. Alles tat ihr weh, Gelenke, Lungen, Hals und Schoß, als ob die Magie in ihr alles gestreckt und die inneren Organe aus dem Weg geschoben hätte.
    Caleb sah noch übler aus – halb ertrunken, verprügelt, angeschossen. Die Lippen waren blau, das Gesicht abgezehrt, die Augen hundemüde. Verletzlich.
    Sorge riss an ihrem Herzen.
    »Du brauchst einen Arzt.« Sie wandte sich zu Dylan. »Du musst uns mit deinem Boot von hier wegbringen.«
    »Stets zu Diensten«, antwortete Dylan trocken. »Sonst noch was?«
    Caleb schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. »Wir müssen hierbleiben. Die Küstenpatrouille anfunken.«
    Dylan hob die Augenbrauen. »Warum? Ich könnte euch nach World’s End bringen, bevor sie hier sind.«
    »Ein Mann ist tot«, gab Caleb zurück. »Es wird eine Untersuchung geben. Ich muss hierbleiben, bis der Tatort gesichert ist.«
    »Oh, bitte. Willst du wirklich eure Menschenpolizei da mit hineinziehen? Was willst du ihnen denn sagen?«
    »Die Wahrheit«, sagte Caleb gleichmütig. »So weit wie möglich. Whittaker ist uns hierher gefolgt, er hat mich angeschossen, und ich habe ihn in Notwehr getötet.«
    »Und wie willst du erklären, dass dein verschollener Selkie-Bruder wieder aufgetaucht ist?«
    »Gar nicht. Ich werde dich nicht erwähnen. Ich will, dass du mit deinem Boot hier weg bist, bevor die Polizei kommt.«
    »Ich will sie hier nicht. Das ist meine Insel.«
    »Deine.«
    Die Brüder standen sich wie zwei streitsüchtige Robbenbullen am Strand gegenüber.
    »Ja.« Dylans Lächeln blitzte scharf wie ein Messer auf. »Das Erbe unserer Mutter.«
    »Ich habe nach dir gesucht«, sagte Caleb, einer plötzlichen Eingebung folgend.
    Margred kannte ihn gut genug, um das Geschenk zu erkennen, das er anbot. Caleb wollte seinen Bruder wissen lassen, dass er ihn nicht vergessen hatte. Die Kinder der See trieben dahin, wie die See dahintrieb, gleichgültig und bindungslos. Aber Calebs Wurzeln reichten so tief wie die einer Eiche. Sein schützender Arm streckte sich nach jedem um ihn herum aus. In siebenhundert Jahren hatte sie noch niemanden kennengelernt, der so verbindlich, so besorgt, so mitfühlend wie Caleb war.
    »Ich habe nach euch beiden gesucht«, fuhr er fort. »Führerscheine, Grundsteuer, Graduiertenregister. Ich habe euch nie finden können.«
    »Ich habe es nicht zugelassen«, entgegnete Dylan kühl. »Ich
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