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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum
Autoren: Virginia Kantra
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sagte er zu Maggie. »Nimm es und schwimm zurück in die Freiheit.«
    »Mach dir keine Sorgen«, beruhigte ihn Dylan. »Ich kümmere mich um sie.«
    Bastard.
    Maggie fuhr mit blitzenden Augen zu ihm herum. »Feigling. Idiot. Kümmere dich lieber um deinen Bruder.«
    »Ich kann nicht«, protestierte Dylan. »Er hat recht. Das ist die beste – die einzige – Möglichkeit, den Dämon zu besiegen.«
    »Du kannst ihn doch nicht sterben lassen.«
    »Ich habe keine Wahl.«
    Wenigstens sein Bruder verstand es.
    Oder vielleicht – der Gedanke versetzte Caleb einen Stich wie ein Insekt – war Dylan einfach nur froh, ihn loszuwerden.
    Maggie stampfte mit dem Fuß auf. »Sobald der Dämon aus ihm fährt, musst du ihn aus dem Wasser holen.«
    »Seine Leiche.«
    »Ihn«, beharrte Maggie. »Rette ihn.«
    Caleb schüttelte den Kopf. Am Rand seines Gesichtsfeldes flackerte es rot. Sein Schädel fühlte sich an, als würde er zerquetscht. »Nein. Wir können nicht riskieren, dass Tan …«
    »Ich werde mich mit dem Dämon befassen«, fiel ihm Maggie ins Wort. »Lass Dylan seinen Teil erledigen.«
    Caleb suchte den schwarzen, unergründlichen Blick seines Bruders. »Ich muss sterben.«
    »Ich weiß.«
    »Lass nicht zu, dass er noch einmal in mich fährt.«
    »Ich schwöre es.«
    Caleb nickte zufrieden. Er nahm alle Kraft zusammen und schlurfte zum Heck, schleppte an seinen Gliedern ebenso schwer wie an der Kette. Seine Haut schien kurz vor dem Platzen zu stehen.
    »Caleb«, rief Maggie gequält.
    Er drehte sich noch einmal zu ihr um. Sie war so schön, so lebendig, dass es weh tat. Die Sonne schien ihm warm auf den Kopf. Die Luft auf seinen Lippen war salzig und kühl. Einige kostbare Sekunden lang stand ihm jede sonnenbeschienene Einzelheit – der blaue Himmel, der silbrige Steg, Maggies Haar, das im Wind wehte – klar und deutlich wie Glas vor Augen.
    Er drückte sich ebenso wenig vor dem, was er im Begriff zu tun stand, wie er sich davor gedrückt hätte, sich auf eine scharfe Granate zu werfen, um seine Einheit zu schützen. Ein Mann tat, was er tun musste.
    Aus Instinkt.
    Aus Pflichtgefühl.
    Caleb hielt Maggies Blick einen letzten, langen Moment fest.
Aus Liebe.
    Aber er musste jetzt handeln, solange er noch konnte. Bevor sein Körper ihm nicht mehr gehorchte, bevor der Dämon die Kontrolle übernahm, bevor Maggies Liebe seine Kraft auf die Probe stellte.
    »Ich liebe dich«, sagte er.
    Er machte einen Schritt nach vorn.
    Und das Wasser schlug über seinem Kopf zusammen.
     
    Margred kniete auf den Planken des Stegs, starrte in das graugrüne Wasser und versuchte, die letzten Luftblasen von Calebs Atem vom Meeresschaum zu unterscheiden. Ihr Herz hämmerte in der Brust und maß mit jedem irren Schlag die Zeit.
    Zwei Minuten. Drei.
Todeskampf.
    Wie lange konnte er unter Wasser den Atem anhalten?
    Wie lange konnte er überleben, wenn sein Körper von einem Dämon besessen war und sein Herz das sauerstoffreiche Blut geradewegs ins Meer pumpte?
    Sie konnte es nicht länger ertragen und sprang auf die Füße. »Jetzt. Hol ihn jetzt hoch.«
    »Ruhig Blut«, murmelte Dylan.
    Sie fletschte die Zähne. »Es funktioniert nicht. Hol ihn hoch.«
    Dylan hob eine Augenbraue. »Soll sein Opfer umsonst gewesen sein? Nein.«
    Sie lief auf den holprigen Bohlen hin und her, bot all ihre Sinne auf und suchte nach einem Hinweis auf Calebs Gegenwart. Sie fühlte, wie der Dämon unter der Wasseroberfläche tobte, weiß glühend vor Hass, rasend vor Frustration. Neben diesem Ausbruch elementarer Energie wirkte Calebs Lebenskraft wie ein blasses Flämmchen, ein schwacher Faden, der zum Zerreißen gespannt war.
    Er starb.
    Allein.
    Sie lauerte wie ein Geier über dem Wasser, während sie darauf wartete, dass sein Körper aufgab und sie den fliehenden Geist des Dämons binden konnte.
    Sie rang die Hände. Die Reserven in Calebs Lungen mussten fast aufgebraucht sein. Wie lange würde es noch dauern, bis sie vollkommen erschöpft waren und sein Gehirn zu sterben begann? Noch eine Minute? Vier Minuten?
    »Wenn du mich liebst, musst du mir vertrauen. Uns vertrauen.«
    Aber so etwas hatte sie noch nie getan.
    Sie hatten versagt.
Sie
hatte versagt, und Caleb sowie ihrer beider Völker würden den Preis dafür bezahlen.
    Margred starrte auf die reflektierende Oberfläche der See. Sie spürte, wie Calebs Mut in winzigen Atemblasen zu ihr emporstieg.
»Im Wasser hast du Macht.«
    Im Wasser hatte sie Macht …
    Sie holte tief Luft und sprang so, wie sie
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