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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen
Autoren: Reginald Hill
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Ball hinterherjagen?«
    »Genau deshalb ruf ich an. Er ist nicht aufgetaucht. Mein Handy spinnt, und ich dachte, vielleicht hat er dir eine Nachricht hinterlassen.«
    Sie drückte ihre Zigarette aus, schwang die Beine aus dem Bett, fand ihr Höschen auf dem Boden, zog es einhändig an, während sie erwiderte: »Tut mir leid, Jase, ich hab nichts von ihm gehört. Aber ich würde mir keine Sorgen machen. Wahrscheinlich ist noch ein Kunde aufgekreuzt, als er sich auf den Weg machen wollte. Du kennst ja Pal. Er würde seine eigene Beerdigung verpassen, wenn er meint, er könnte noch ein Geschäft abziehen. Wie geht’s Helen? Muss doch bald so weit sein. Richte ihr meine besten Grüße aus. Hör zu, ich muss jetzt los. Bis dann.«
    Sie legte das Handy weg und kauerte sich auf den Boden, um den BH zu suchen. Sie hörte die Toilettenspülung. Kurz darauf erschien Lockridge in der Tür. Er lächelte, und es deutete vieles darauf hin, dass er sehr genaue Vorstellungen davon hatte, wie er die nächste Stunde zu verbringen gedachte.
    Als er sie, den BH in der Hand, auf der anderen Bettseite hochkommen sah, schwand das Lächeln.
    »Pal ist unterwegs«, sagte sie, bevor er etwas sagen konnte. »Zieh dich an.«
    »Scheiße. Du glaubst doch nicht, dass er es auf uns abgesehen hat?
Heilige Scheiße!
«
    Er hatte, mehr auf Eile als auf Sorgfalt bedacht, die Hose hochgezerrt und etwas mit dem Reißverschluss veranstaltet, worüber sie nun nicht nachdenken wollte.
    »Glaub ich nicht, aber lieber auf Nummer sicher gehen als … o verdammt. Hast du das gehört?«
    »Was?«
    »Weiß nicht. Ein Geräusch. Unten. Nein … auf der Treppe.«
    Sie erstarrten, beide mit offenem Mund und schreckgeweiteten Augen, sie mit dem BH um den Hals, er die Hand auf dem Reißverschluss der Hose, ein
tableau vivant
der auf frischer Tat ertappten Schuld, als wären sie darauf gefasst, von dem Lichtstrahl getroffen zu werden, der als Vorbote eines himmlischen Racheengels gleich durch die offene Tür fallen würde.

3
    Signora Borgias Gästeliste
    E s wurde eindeutig diesiger. Noch etwas trüber, und man würde von Nebel sprechen, was nichts Gutes verhieß. Dort draußen trieben sich genügend Idioten rum, die noch nicht mal im hellen Tageslicht richtig Auto fahren konnten.
    Kay Kafka ignorierte die ganz offensichtlich ungeduldigen Wagen hinter ihr, steuerte ihren Mercedes E-Klasse mit genau zehn km/h unter der erlaubten Geschwindigkeit durch die ruhigen Vorortstraßen und setzte gut hundert Meter vor der Anfahrt zu Linden Bank den Blinker.
    Der Nebel und die einsetzende Dunkelheit, die die unglückliche Lavendeltönung entkräfteten, die die Dunns für das Balkenwerk gewählt hatten, weckten in ihr wieder die Gefühle, die sich beim ersten Anblick des Hauses eingestellt hatten. Helen hatte damals angerufen und ihr aufgeregt erzählt, dass sie und Jason ein Haus gefunden hätten, das ihnen beiden gefiel. Bevor sie allerdings zusagten, wollte sie Kays Zustimmung. Kay hatte sich bereits einige Notlügen zurechtgelegt, war stattdessen aber freudig überrascht gewesen. Ihr hatten die klaren, modernen Linien gefallen, die harmonischen Proportionen, die rötlichen Backsteine unter dem flach geneigten Dach mit den olivfarbenen Dachziegeln. Die vorbereiteten Notlügen hatten sich dann allerdings später als nützlich erwiesen, als das frisch vermählte Paar eingezogen war.
    Am Eingang musste Kay nur einmal klingeln, bevor die Tür von einer hochschwangeren jungen Frau aufgerissen wurde.
    »Du bist spät dran«, schallte es ihr entgegen.
    »Du auch, so wie du aussiehst.«
    Die junge Frau verzog das Gesicht. »Es sind noch ein paar Tage hin … Kay, schön, dich zu sehen.«
    Die beiden Frauen umarmten sich nicht ohne Schwierigkeiten.
    »Mein Gott, Helen, bist du dir sicher, dass du wirklich nur Zwillinge da drin hast?«
    »Ich weiß … es ist schrecklich … ich muss vielleicht bei meinen Blusen den Saum auslassen.«
    Sie gingen ins Haus. Draußen sanken die abendlichen Temperaturen schnell. Drinnen war die Zentralheizung wie immer einige Grad über Kays Wohlfühllevel eingestellt, weshalb sie, nichts anderes erwartend, nur eine ärmellose Seidenbluse unter ihrer schicken Schaffelljacke trug.
    Helen hängte sie auf und fuhr dabei mit der Hand über den weichen Kragen. »Na, warst du auf einer Baustelle? Ist ja ziemlich eingestaubt.«
    »Ja? Du weißt ja, wie es in alten Häusern ist. Mir wäre es auch lieber, wenn Tony was Modernes wie das hier gekauft hätte«,
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