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Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)

Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Autoren: Nicole Alexander
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schließlich merkte, dass sein Vater nie abdanken würde. Vor ein paar Jahren wäre er noch eifersüchtig auf Cameron gewesen, aber jetzt nicht mehr.
    Vor Jahren hatte er geglaubt, sein Vater wüsste von dem Irrtum, den er mit seiner Heirat begangen hatte. Es schien keine andere Erklärung dafür zu geben, dass er sich weigerte, ihm bei der Leitung der Farm mehr Freiheit zu lassen. Und es wäre typisch für Angus, ihn für den Schaden, den vergangene Aktionen dem Familiennamen zufügen könnten, bezahlen zu lassen. Doch mit der Zeit war Ronald sich nicht mehr so sicher, denn Angus sprach das Thema nie an. Schließlich gelangte Ronald einfach zu der Erkenntnis, dass sein Vater mehr an einem Klumpen Erde als an seiner eigenen Familie interessiert war. Angus übertrug ihm die zweitausend Hektar Land, die West Wangallon ausmachten, damit er darauf ein Haus für seine Familie bauen konnte. Die etwa fünfzigtausend Hektar von Wangallon jedoch blieben fest unter seiner Kontrolle.
    Und doch liebte Ronald Wangallon noch immer; vor allem jetzt, wo die fruchtbare Erde einen solchen Ertrag abgab und er das positive Ergebnis seiner Mühen sehen konnte. Nachts träumte er von Feldern mit goldenem Weizen, und wenn er erwachte, hatte er die Hand ausgestreckt und fuhr mit den Fingern über die schweren Köpfe der Ähren. Zu anderen Zeiten tummelten sich Schafe in seinem Unbewussten, weideten auf satten Frühlingswiesen, während er im Schatten eines alten Eukalyptusbaums auf einem Rattansessel saß und ihnen zuschaute. Solche Träume, solche Augenblicke waren umso schöner, wenn er an die endlosen trockenen Dürremonate dachte, die es in den letzten vierzig Jahren auch immer wieder gegeben hatte. Die Erinnerung daran, wie er durch beißenden Westwind geritten war, Gesicht und Augen brennend von der heißen Sonne, um die Wasserstellen für das Vieh zu kontrollieren– auch das war Realität auf Wangallon. Ja, dachte Ronald, wenn er sich zur Ruhe setzte, würde Wangallon ihn nicht noch einmal reizen. Der Besitz war eine anspruchsvolle Geliebte und konnte im Gegensatz zu Sue nicht mit Valium und einem Whiskey am Abend beruhigt werden.
    Milde Luft drang durch die Fenster und brachte die Lamellen der Jalousien zum Flirren. Ronald legte das Scheckheft beiseite und kramte in der Schreibtischschublade, um alte Schwarz-Weiß-Fotografien hervorzuholen, die unter einem Stapel vergilbender Kontoauszüge verborgen waren. Es waren Bilder von kleinen Pächter-Cottages, Aufnahmen von den schottischen Highlands und ein Foto von einer jungen Frau, die fröhlich in die Kamera lächelte. Er blätterte die Aufnahmen durch, bis er schließlich zu einem Foto gelangte, auf dem vor einem hübschen Cottage eine schlanke junge Schönheit stand. Er drehte das Bild um und fuhr mit dem Daumen liebevoll über die Schrift auf der Rückseite: Außerhalb der Ortschaft Tongue, Schottland 1961 .
    Nachdenklich trank er seinen mittlerweile kalt gewordenen Kaffee aus. Unter den Fotos lag die Ledermappe, die sein Vater ihm zum einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Zwischen cremefarbenem Seidenpapier lag ein Schwarz-Weiß-Foto von Hamish Gordon, seinem Großvater. Der weißbärtige Riese mit dem breiten Brustkorb saß auf der Veranda von Wangallon. Ein Hund lag zu seinen Füßen, er hielt eine Pfeife in der Hand und blickte finster in die Kamera. Vielleicht hatte Angus geglaubt, dachte Ronald, dass das Wesen dieses Mannes auf geheimnisvolle Weise die weiche Haut seines einzigen Kindes durchdringen würde. Ronald klappte die Mappe wieder zu und vergrub sie tief unter seinen wertvollen Fotografien. Manche Gene wurden besser nicht weitergegeben.

Sommer, 1983
    West Wangallon Farm
    Sarah hörte das Klopfen an der Hintertür nicht, weil sie gerade Einkäufe in der Speisekammer verstaute und damit fertig sein wollte, bevor ihre Mutter wieder auftauchte. Die Fahrt in die Stadt hatte einen großen Teil des Tages in Anspruch genommen, und ihre Mutter hatte die meiste Zeit gejammert.
    » Hallo, jemand da?«
    Sarah zuckte zusammen, als sie die Stimme hörte.
    » Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken.« Anthony lächelte schief und trat einen Schritt zurück, als sie die Tür öffnete. » Du siehst hübsch aus.«
    » Danke.« Verlegen spielte Sarah mit der leeren Plastikeinkaufstüte, die sie in der Hand hielt.
    » Einkaufstag?«, fragte Anthony.
    Sein Blick glitt über ihre helle Jeans und ihr weites, rosa T-Sweatshirt. Sie hatte eisblauen Lidschatten aufgelegt und
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