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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Autoren: Carola Herbst
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in der Kirche, ssst ...“
    „Sie machen mich wirklich wahnsinnig ...“
    „Wenigstens das, besser so, als gar keine Wirkung auf Männer zu erzielen.“
    Franz wollte schon etwas Gehässiges erwidern, biss sich jedoch auf die Zunge. Hans-Georg warf den Kopf in den Nacken und strich sich das blonde Haar aus der Stirn. Ja! Er wirkte wie der Hochmut in Person und reizte zum Angriff, doch Franz begriff, hinter dem Sarkasmus verberge sich tiefe Resignation sowie ein gewisser Hang zur Selbstverspottung – und Hunger nach Liebe und Bestätigung, der in jedem von uns Menschen wohnt.
    Franz betrachtete Hans-Georg nachdenklich und fragte sich, was Gott mit dem jungen Mann vorhaben mochte. Warum hatte der Allmächtige dem Jungen und seinem Bruder diese Bürde auferlegt?
    Es kann nicht sein, was nicht sein darf, unter diesem Motto dürfte der Klerus an ein Phänomen herangegangen sein, das widernatürlich scheint, doch Franz rief sich in Erinnerung, wie die Menschen in vorchristlicher Zeit damit umgingen. Platon feierte Sappho als „zehnte Muse“, jene Griechin von der Insel Lesbos, deren Verse einen Catull oder einen Horaz zur Nachahmung herausgefordert hatten. Sie hatte das Wort „bittersüß“ für widerstreitende Gefühle erfunden, und hatte Aphrodite angefleht, ihr erneut die Liebe eines Mädchens zuzuwenden. 600 Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung galt sogar vielen Griechen die Liebe zwischen Mann und Jüngling als sittlich wertvoller und sie begründeten dies mit der Vorstellung, die Frau sei dem Manne nicht ebenbürtig.
    Franz schnaubte, zum Glück hatte sich diese Meinung nicht durchgesetzt, sonst wäre die Menschheit wohl schon ausgestorben.
    Seid fruchtbar und mehret euch, heißt es im Buch der Bücher. Den Hauptzweck der menschlichen Vereinigung kann eine gleichgeschlechtliche Liebe nicht leisten, ist sie deshalb nicht gottgewollt?
    Jedoch wenn alles gottbefohlen wäre, was nähmen sich dann diejenigen heraus, die etwas ändern wollten. Jeder Arzt, der einen Patienten dem Tode entriss, würde demnach dem göttlichen Willen zuwider handeln. Nein! Es war nicht Gott, der über Leben und Tod, über Glück oder Unglück entschied, es waren die Menschen und die Ordnung, die sie sich gegeben hatten.
    Hans-Georg hatte glücklich ausgesehen, als er aus dem Weinlager aufgetaucht war. Jetzt kam sich Franz wie ein Unglücksbote vor, der den kurzen Moment der Glückseligkeit brutal verscheucht hatte. Doch er hatte keine andere Wahl gehabt. Vor dem eigenen Gewissen hatte er so handeln müssen, weil Lapérouse keine ehrlichen Absichten verfolgte. Diesem Treiben musste Einhalt geboten werden. Auch wenn Franz wegen seines Ehrenwortes die Hände gebunden blieben, war er doch verpflichtet, weiteres Unheil zu verhüten. Hans-Georg war ein ideales Opfer und weckte in Franz einen gewissen Beschützerinstinkt.
    Er konnte sogar nachempfinden, was in dem Jungen vorging. Er erinnerte sich nur zu gut des Gefühls, als er von Margitta indirekt zurückgewiesen worden war. Die Ereignisse der vergangenen Tage hatten ihn jedoch so in Atem gehalten, sie hatten ihm gar keinen Platz für Sehnsucht und Kummer gelassen. Doch während der Auseinandersetzung mit Hans-Georgs Gefühlen war Franz’ Wunde aufgebrochen und sie begann zu schmerzen.
    „Kommen Sie“, sagte er leise und berührte seinen Begleiter am Arm. Hans-Georg wurde vom Licht, das durch die Nordfenster fiel, in alle Farben der Glasgemälde getaucht. „Der Küster klimpert schon wieder mit seinem Schlüsselbund, er will hinter uns abschließen. Doch eines kann ich Ihnen versichern: Ich bin nicht nur wegen meiner Sorge um Johann zu Ihnen gekommen.“
    Die Berührung löste den Konflikt zwischen den Männern und in Hans-Georgs hochfahrende Miene kehrte jene Bitterkeit zurück, die Franz bereits im Dampfbad gesehen hatte.
     
    Die Sonne stand schon recht tief und Franz befürchtete, Kommissär Goltzow nicht mehr anzutreffen. Doch er hatte kaum die Amtsstube der Präfektur betreten, als der Soldat freudig auf ihn zueilte, der die amtliche Mitteilung an Kägler überstellt hatte.
    „Ich wurde gerade losgeschickt, um Sie hierher zu bitten“, ließ er wissen, womit sich auch seine Freude erklärte, die Franz’ plötzliches Auftauchen ausgelöst hatte. Er verlor keine Zeit mit Geschwätz und führte Franz in das Dienstzimmer des Kommissärs.
    Die Überraschung war auf beiden Seiten groß. Goltzow starrte den Besucher an wie eine Erscheinung und Franz wurde sich ein weiteres
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