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Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Titel: Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz
Autoren: Joerg Graser
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Spuren.«
    »Wie meinenS’ das jetzt?«
    »Na ja, es ist schon merkwürdig, gell. Früher haben Sie fast jeden Mörder gestellt, und jetzt tendiert Ihre Aufklärungsquote gegen null. Man könnt fast meinen, Sie haben die Seiten gewechselt.«
    Einen Moment herrschte Schweigen. Becker betrachtete sein massiges Gegenüber auf dem für ihn viel zu kleinen Stuhl, die von fettigen Haaren verhangene Stirn, das von schwarzen Bartstoppeln verfinsterte Gesicht, die eingetrockneten Gulaschflecken auf dem Ganovenanzug. Früher hätte man solche Typen von der Straße weg wegen Landstreicherei verhaftet. Heute saßen sie in den Chefetagen der Musikindustrie und dealten mit dem Geschrei und Geklimper von Drogensüchtigen. Oder arbeiteten bei der Polizei. Was waren das für Zeiten?
    »Sind Ihnen Mörder eigentlich sympathisch?«
    »Die meisten Mörder sind arme Säu.«
    »Weil sie Stümper sind?«
    »Nicht nur deswegen.«
    »Haben Sie Mitleid mit den Tätern?«
    Kreuzeder schwieg. Seine Miene verriet jetzt so viel wie die einer Schildkröte, die ihren Kopf eingezogen hat.
    »Herr Kreuzeder, wir haben hier eine Menge ungeklärter Fälle. Genauer gesagt haben Sie in den letzten eineinhalb Jahren gerade mal zwei Fälle gelöst. Und das, obwohl Sie ein absoluter Fachmann in Sachen Mord sind, wie Sie selber sagen. Was soll ich jetzt davon halten?«
    Von Beckers Gegenüber war nur noch ein leises, unruhiges Schnaufen zu vernehmen.
    »Ich möchte, dass Sie sich einer psychologischen Untersuchung unterziehen. Können wir uns darauf einigen?«
    »Das ist mir wurscht.«
    Die Tür wurde aufgerissen und die Sekretärin platzte herein.
    »Tschuldigung, aber wir haben schon wieder einen Mord! Rechenbrunn, Kressenau drei. Der gleiche Tatort! Und schon wieder der Mähdrescher!«
    Kreuzeder wurde sofort nachdenklich und murmelte:
    »Dreieinhalb. Kressenau dreieinhalb.«
    Auch Becker war augenblicklich klar, was das bedeutete. Vielleicht hätte er den Mann mit den struppigen Haaren und den quietschenden Gummistiefeln weniger hart angefasst, wenn der nicht so nach Kuhmist gestunken hätte. Manchmal sind es solche Kleinigkeiten, die eine Anklage wegen Aufruhrs nach sich ziehen. Die Welt ist eben ungerecht. Aber verhaftet hatte ihn schließlich der Leichenschmausexperte im Nadelstreif.
    »In diesem Zustand können Sie nicht fahren, Herr Kreuzeder. Ich werd Ihnen den Kollegen Klotz mitgeben. Irgendwann müssen wir ihn ins Wasser schmeißen. ErzählenS’ ihm unterwegs den Stand der Ermittlungen. Dazu werdenS’ ja wohl noch in der Lage sein.«

9
    Der altgediente Kommissar war viel zu müde, um dem jungen Mann, der offenbar als sein Nachfolger auserkoren war, einen längeren Vortrag zu halten.
    »Sieht nicht sehr possierlich aus, wenn einer vom Mähdrescher rasiert worden ist.«
    »Mir macht das nichts. Ich war als Zeitsoldat in Afghanistan. Wir haben dort mit Totenschädeln gespielt. Ein bisschen Spaß muss sein.«
    Kreuzeder nickte, kippte die Rücklehne des Beifahrersitzes ein wenig nach hinten und schloss die Augen. Doch der muntere Geselle neben ihm gönnte ihm keinen Schlaf.
    »PennenS’ mir bloß nicht ein, sonst kotzenS’ mir noch die Karre voll.«
    Das linke Auge klappte wieder auf. Klotz steuerte den Wagen mit einer Hand und hielt in der anderen ein Smartphone, auf dem er sich die Tatortfotos vom Fall Brodl ansah. Er hatte einen Stiftenkopf und ein Milchgesicht, in dem sich seit der Ministrantenzeit nichts getan hatte. Außerdem plauderte er gern.
    »Afghanistan war total langweilig. Unser Oberstleutnant war eine feige Sau. Wir haben uns praktisch nur eingeigelt. Einmal hatten wir die Scheißerei. Die ganze Truppe. Das haben wir dem Minister zu verdanken. Diese Pfeife hat uns besucht und einen Leberkäs spendiert. Die edle Spende ist drei Tage in der Knallhitze am Flughafen in Kabul rumgestanden. In so einem Container, ohne Kühlung natürlich. Dann achtzehn Stunden im Lastwagen nach Kundus. Das Zeug hat gestunken wie ein toter Iltis. Aber wir haben’s fressen müssen. Ein Geschenk vom Minister. Er selber war natürlich schon längst wieder abgedampft. Meine Fresse. Wir haben die ganze Nacht gekotzt und geschissen. Der Taliban hätt uns alle mit seinem Turban erwürgen können, so platt waren wir. Das war Afghanistan.«
    Er hielt Kreuzeder das Smartphone vor das Auge. Auf dem Display war ein Foto des Mähdreschers zu sehen.
    »Wieso ist die Tatwaffe nicht beschlagnahmt worden?«
    »Wo wollen Sie denn mit einem Mähdrescher hin? In die
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