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Weiss wie der Tod

Weiss wie der Tod

Titel: Weiss wie der Tod
Autoren: Roman Rausch
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ging wieder auf die Schule, fand Freunde und entwickelte sich prächtig.»
    «Doch damit war es nicht getan, nehme ich an.»
    Thorsten Waan schüttelte den Kopf. «Es ist alles so unbegreiflich. Nachdem wir durch alle Täler gegangen waren, dachten wir, wir könnten von neuem beginnen. Dann erkrankte meine Frau an Krebs. Die Anlage dafür hatte sie wahrscheinlich schon immer in sich getragen, aber die vergangenen Monate waren zu viel für sie gewesen. Sie konnte es nicht ertragen und besorgte sich Tabletten.»
    «Wie reagierte Lili darauf?»
    «Gefasst. Sie war so stark geworden. Beängstigend. Sie konzentrierte sich noch stärker auf die Schule, kam zu mir in die Sporthalle, begann mit dem Training. Dieser kleine Mensch. So schwach und doch so stark.»
    «Was passierte, als Sie von Mandraks Freigang erfuhren?»
    Thorsten Waan wechselte zurück in die alte Rolle des Beschützers. «Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich habe Mandrak getötet. Nach dem, was er uns angetan hat, hatte er den Tod verdient.»
    «Ich glaube Ihnen alles, nur das nicht. Aus meiner Sicht ist etwas ganz anderes passiert. Lilis Traumatisierung ist nie vollständig aufgelöst worden. Im Gegenteil, als Sie glaubten, sie sei über den Berg, begann die zweite Phase ihrer Erkrankung. Die vorangegangene Gefühlslähmung, die Abschottung und die Autoaggressionen führten in die Ausklammerung des Bedrohlichen, des ständig wiederkehrenden Traumas der Entführung, der Vergewaltigung und der Todesangst. Ihre kindliche Psyche konnte den Schock nicht verarbeiten. Wie auch? Nicht einmal Erwachsene schaffen das.
    Folglich klammerte sie die Bedrohung aus und passte sich den Gegebenheiten an. Doch damit war es nicht genug, geschweige denn das Erlebte vergessen. Die Überanpassung resultierte in der Identifikation mit dem Täter und seinen Taten. Gemäß der kindlichen Logik: Wenn du das gemacht hast, dann darf ich das gefälligst auch. Die Saat dafür haben unter anderem auch Sie gelegt, indem Sie Lili damals glauben ließen, dass sie von der Öffentlichkeit verstanden und getragen würde. Diese Identifikation mit der scheinbaren Aufmerksamkeit und allgemeinen Wertschätzung ihres Schicksals war die Basis ihrer späteren Entwicklung. Lili ist zu einer kaltblütigen Mörderin geworden. Und Sie haben sie noch dazu ausgebildet.»
    Thorsten Waan war nicht mehr zu halten. Er sprang auf und packte Levy am Hals.

64
    D ie kleine Flamme des Feuerzeugs hatte keine Chance gegen den Wind.
    «Hast du die Taschenlampe dabei?», fragte Naima Hassiri.
    «Nein, du etwa?», antwortete Falk Gudman.
    «Wer geht?»
    «Ladies first. Ich pass auf, dass er nicht abhaut.»
    «Haha.»
    Naima lief durch Regen und Wind zum Wagen zurück und holte die Taschenlampe aus dem Handschuhfach. Mit ihrem Licht konnten sie die Namensschilder vor der dunklen Haustür lesen.
    «Hier ist es», sagte Gudman. «Stephan Voss.»
    Er klingelte.
    Nach dem fünften Versuch trat er auf den Gehsteig zurück und blickte hoch zur Fensterfront. «Im dritten Stock brennt Licht. Probier’s mal dort.»
    Naima drückte die dritte Reihe durch. Schließlich: «Ja?»
    «Hier ist die Polizei. Bitte öffnen Sie.»
    «Was wollen Sie?»
    «Nichts von Ihnen. Wir wollen zu einem anderen Mieter. Stephan Voss. In welchem Stockwerk wohnt er?»
    «Erdgeschoss, glaube ich.»
    Ein Surren öffnete die Tür.
    Die Flurbeleuchtung war spärlich. Naima half mit der Taschenlampe nach und las die Klingelschilder an den Türen. «Blaue Grotte», sagte sie. «Ist das nicht ein Puff?»
    «Auch wenn es dich überrascht, darin kenne ich mich wirklich nicht aus», antwortete Gudman.
    «Wer’s glaubt.»
    Am Ende des Flurs, gleich neben der Treppe, fanden sie, was sie suchten. Sie zogen ihre Waffen, gingen zur Seite und klingelten. Keine Reaktion. Noch ein Versuch.
    Naima klopfte schließlich an die Tür. «Aufmachen. Hier ist die Polizei.»
    Gudman legte das Ohr an die Tür. «Nichts. Scheint ausgeflogen zu sein.»
    Sie steckten die Waffen zurück.
    «Fragen wir die Nachbarn.»
    Sie klingelten an der nächsten Tür. Eine Frau öffnete. «Kripo Hamburg. Wir suchen Stephan Voss», sagte Naima. «Wissen Sie, wo er sich gerade aufhält?»
    «Der ist viel unterwegs», antwortete die Frau. «Macht in Versicherungen. Schauen Sie mal, ob sein Auto vor der Tür steht.»
    «Welche Marke fährt er?»
    «Einen silbernen Mercedes, grünmetallic mit Hamburger Kennzeichen.»
    «Haben Sie es genauer?»
    «Irgendetwas mit SV 35 oder 36. Achten Sie auf
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