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Weiss wie der Tod

Weiss wie der Tod

Titel: Weiss wie der Tod
Autoren: Roman Rausch
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Situation war unerträglich. Das Telefon klingelte ununterbrochen, sie belagerten unser Haus, steckten Briefe mit Verträgen und Geld unter der Tür durch. Was sollten wir machen? Lili musste geholfen werden. Sie war nach den neun Wochen zerbrochen. Der Psychologe riet zu einer Therapie, die lange dauern und kostspielig sein würde. Der Anwalt sagte uns, dass von Mandrak nichts zu holen sei. Dann kam dieser Medienmensch. Er zeigte uns einen Weg auf, wie wir das notwendige Geld für Lilis Therapie zusammenkriegen konnten. Der Druck nahm zu. Wir hatten keine Zeit zu überlegen. Sie sagten, jetzt oder nie.»
    «Und Sie entschieden sich für das Jetzt», sagte Levy.
    Thorsten Waan nickte. «Zu Anfang lief auch alles wie besprochen. Die Fragen waren fair, jeder hielt sich an die Vereinbarung, Lili zu schonen. Doch je länger die Sache dauerte, desto tiefer bohrten sie. Sie wollten alles, jedes noch so unbedeutende und unwürdige Detail, wissen.
    Als es uns zu dumm wurde, wollten wir Lili da rausnehmen …»
    «Doch da war es zu spät. Sie hatten das Geld genommen.»
    «Und ausgegeben. Das meiste ging zuerst für die Beraterhonorare drauf. Dann kam der Therapieplatz, den wir für eine bestimmte Zeit im Voraus buchen und bezahlen mussten. Lili sollte ja die beste Behandlung bekommen, die es gab.»
    «Das Geld reichte nicht.»
    «Nein, das tat es nie. Ich bin dann zur Bank. Hab sie bekniet, mir einen Kredit zu geben. Dafür sollten sie auch in der Berichterstattung gut wegkommen. Darauf ließen sie sich schließlich ein. Doch eine Rechnung kam nach der anderen. Freunde sprangen ein, halfen, wo sie nur konnten. Aber es hat nie gereicht …»
    Levy ließ ihn weinen. Diesen Berg von einem Mann, der gebrochen, den Kopf in den Händen vergraben, hemmungslos schluchzte.
    «Wie erging es Lili in der Therapie?», fragte Levy, nachdem Thorsten Waan sich beruhigt hatte.
    «In den ersten Wochen war sie überhaupt nicht ansprechbar, weder für uns noch für die Ärzte. Sie war wie ein Zombie – ein toter Geist in einem geschundenen Körper. Meine Frau ist daran verzweifelt. Sie hat mir Vorwürfe gemacht, wieso ich all das zugelassen habe …
    Aber die Ärzte gaben uns Hoffnung. Nach Monaten begann sie zu sprechen. Wenig, aber immerhin. Sie ließ uns wieder an sich heran, und es fiel uns ein Stein vom Herzen. Dann kam der Rückschlag. Sie knallte ihren Kopf gegen die Wand, schluckte alles, was sie in die Hände bekam, und begann sich mit Glasscherben ins Fleisch zu schneiden …»
    «Sie richtete ihre Aggressionen gegen sich selbst.»
    «Ja, dabei habe ich sie angefleht, mich zu bestrafen. Ich war an allem schuld. Hätte ich damals besser auf sie aufgepasst, hätte ich sie nicht diesen Leuten ausgesetzt … dann wäre alles nicht passiert.»
    «Lili hat aber die Schuld bei sich gesucht.»
    «Das sagten die Ärzte auch, deswegen mussten sie sie fixieren, damit sie sich nicht selbst verletzt. Danach kamen die Medikamente. Sie haben aus meiner Tochter ein lebloses Stück Fleisch gemacht. Sie saß tagelang regungslos auf ihrem Bett und hat an die Wand gestarrt. Niemand und nichts ist zu ihr durchgedrungen. Ich bin fast verrückt geworden, habe die Ärzte angefleht, die Medikamente abzusetzen. Ich wollte meine Tochter zurück, so wie ich sie in Erinnerung hatte – aufgeweckt, lebhaft, herzlich.»
    «Das war sie aber nicht mehr. Diese neun Wochen hatten sie getötet. Wie ging es mit ihr weiter?»
    «Auf ein Hoch folgte ein Tief. Das ging über Monate, fast ein Jahr. Dann hatten wir kein Geld mehr, und wir mussten sie aus der Therapie nehmen. Sie weigerte sich, in eine andere Klinik zu gehen. Meine Frau wollte das auch nicht, sie sollte nach Hause zurückkehren. Schließlich fanden wir in Hamburg einen Therapeuten, der sich bereit erklärte, die Behandlung fortzuführen. Natürlich nicht in dem Umfang wie in der Schweiz, aber immerhin.
    Es dauerte, die Achterbahn der Erfolge und der Niederlagen setzte sich fort, bis eines Tages etwas mit ihr geschehen war.»
    «Sie schien sich wieder gefangen zu haben.»
    «Wie aus dem Nichts begann sie wieder, aufmerksam zu sein, Fragen zu stellen, unbeschwert zu sein. Sie schien wie neugeboren. Meine Frau und ich waren außer uns vor Freude.
    Der Therapeut meinte, sie hätte eine neue Stufe in ihrer Entwicklung erreicht. Das Trauma sei zwar nicht vergessen, sicher auch nicht ganz überwunden, aber aus dem Mädchen von vor zwei Jahren sei eine junge Frau geworden. Wir sollten stolz auf sie sein. Sie
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