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Weinrache

Weinrache

Titel: Weinrache
Autoren: S Kronenberg
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nicht sagen könne.
    Er wollte sich für den Mord rechtfertigen. Seine Gründe entsprachen dem, was Franziska erzählt und Norma sich zusammengereimt hatte. Sie hütete sich, ihm zuzustimmen oder sich auf eine Diskussion einzulassen. Sie hatte nur eine Frage: »Warum bist du dieses Risiko eingegangen?«
    Er hatte nicht befürchtet, dass man ihm auf die Spur kommt. »Das Zerwürfnis zwischen Fischer und mir ist damals nicht weiter bekannt geworden und hat in dem Prozess keine Rolle gespielt. Fischer hatte Grund genug, den Mund zu halten, und Franziska hätte von selbst nicht davon angefangen. Außerdem besaß ich in Vroni eine glaubwürdige Fürsprecherin. Wenn du nicht so hartnäckig wärst …«
    Einer flüchtigen Überprüfung hätte das Alibi standgehalten, glaubte auch Norma.
    Bruno hörte mit wachsender Ungeduld zu. Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen. »Los jetzt! Lass dich nicht beschwatzen. Worauf wartest du? Du weißt, was für dich auf dem Spiel steht!«
    Tiri wandte sich seinem Vetter zu. »Wo hast du Agnieszkas Leiche gelassen?«
    »Was soll die Fragerei? Warum willst du das wissen?«
    »Sag es mir einfach, Bruno!«
    »Wenn du darauf bestehst!« Bruno streckte den Arm aus und zeigte auf den Bärenkörper. »Ungefähr dort, wo der Bär liegt. Ich hatte den Boden ausgehoben, wollte die Stäbe einbetonieren. Ich musste das Loch nur ein wenig verbreitern. Aber du lenkst ab! Kümmere dich um deine Aufgabe!«
    Norma schien mit den nackten Füßen auf glühenden Kohlen zu stehen. Was für ein Albtraum. Allein mit zwei Mördern, die alles zu verlieren hatten.
    Jeder für sich.
     

40
    Lutz tippte den Entwurf in den Computer, verbesserte einen Schreibfehler und schickte die Datei als E-Mail an den Verlag. Den weiteren Weg der Einladungen konnte er getrost seiner Sekretärin überlassen. Den Termin hatte er mit dem Geschäftsführer der Weinstube, mit Sundermann, bereits festgelegt. Um die Auswahl der Getränke und kleinen Speisen, die zu Wein und Sekt gereicht werden sollten, wollte er sich in den kommenden Tagen kümmern. Erleichtert verließ er den Schreibtisch. Das war erledigt. Nun müsste er sich mit Undine gut stellen, die ihm für den Empfang die Galerie angeboten und naserümpfend auf die Weinstube reagiert hatte; mit der Unterstellung, er sei von Norma dazu überredet worden, worin sie sich irrte. Die Räume der Galerie waren ihm zu eng und der Service als unzuverlässig bekannt. Gewöhnlich beauftragte Undine einen Partydienst für ihre Veranstaltungen. Bei der letzten Vernissage war einiges schief gelaufen, und das wollte Undine nicht wahrhaben. Lutz überlegte, ob er sie anrufen sollte, entschied sich aber dagegen. Im Augenblick stand ihm der Sinn nicht nach Undines Extravaganzen. Lieber wollte er mit Norma reden. Doch seine Schwiegertochter war irgendwohin unterwegs. Das Bürotelefon schaltete auf Mobilempfang um, und dort sprang die Mailbox an. Lutz hinterließ eine Nachricht mit der Bitte, Norma solle sich umgehend melden. Ihm sei ein Vorfall aus Arthurs Kindheit eingefallen, fügte er hinzu. Nebensächlich, vermutlich. Aber er wüsste gern ihre Meinung darüber.
    Die Erinnerung ging ihm unablässig durch den Kopf. Die Bärenzwillinge. Diese Bezeichnung war Brunos Einfall. Was für Arthur nicht mehr als ein Spiel war, schien für den kleinen Taschenmacher mehr und mehr wirkliche Züge anzunehmen. Lutz erinnerte sich an eine Diskussion am Esstisch, bei der Bruno dermaßen ausfällig wurde, dass Arthurs Großeltern sich nicht anders zu helfen wussten, als den Jungen für eine Weile aus der Villa zu verbannen. Lutz selbst hatte sich damals nicht weiter um den Zwischenfall gekümmert und sich feige aus den Konsequenzen herausgehalten.
    Draußen zeigte sich die Sonne wieder. Lutz sehnte sich nach Bewegung, nach einer körperlichen Anstrengung, die den Kopf frei machte. Statt wie so oft durch den Rabengrund zu traben, könnte er seine Laufstrecke zur Abwechslung an den Rhein verlegen, überlegte er, und zuvor einen Besuch bei Norma machen. Bis dahin wäre sie hoffentlich zurück. Er zog sich im unteren Stock um und war kurz darauf mit dem Wagen unterwegs nach Biebrich. Am Rheinufer fand er einen freien Parkplatz und genoss für einen Augenblick den Blick auf die Symmetrie des sich vor ihm erhebenden Schlosses. Mit einer halben Wendung schaute er auf den Strom. Ein Ausflugsschiff trieb flussabwärts, und vom Oberdeck winkte eine Schulklasse fröhlich herüber. Er war sich nicht sicher, ob die
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