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Weinrache

Weinrache

Titel: Weinrache
Autoren: S Kronenberg
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Einen größeren Anreiz brauchte er nicht. Moritz war ihm verhasst. Irgendwann hätte er ihn auf eigene Rechnung getötet.«
    Norma fror. Die Kuhhäute hielten die Kälte des Betons nicht ab. Sie spürte kaum noch die nackten Sohlen. Es sei gut, dass er ihr das alles anvertraut habe, lobte sie ihn zuversichtlicher, als ihr zumute war. Ihr Schwiegervater Lutz besitze hervorragende Verbindungen. Sie könne ihm den besten Anwalt vermitteln.
    Bruno unterbrach sie grob. »Ich brauchte keinen Anwalt, weil es keine Anklage geben wird. Bildest du dir ein, ich schleppe dich in meinen Keller und öffne dir mein Herz, damit du anschließend alle meine Geheimnisse ausplauderst? Du kommst hier nicht mehr heraus, Norma. Weder tot noch lebendig.«
    Die Kälte unter ihren Füßen schlug in Wärme um. Sie dachte an Agnieszka. »Bruno, was hast du mit mir vor?«
    Er schüttelte den Kopf. «Ich will dir nichts tun. Tiri soll das übernehmen. Er wird dich töten.«
     

39
    Ein Lautsprecher knarzte, dann drang unter einem Tierfell die näselnde Stimme der Haushälterin hervor. Sie kündigte einen Besucher an.
    »Spare dir die Hoffnung, Norma«, sagte Bruno gutmütig. »Das ist keine Gegensprechanlage. Von hier unten dringt kein Laut nach oben.«
    Er ließ sie allein. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss. Die Fackeln brannten weiter, wofür sie ihm Dank zollte. In der Finsternis, so befürchtete sie, könnte ihr Herzschlag aussetzen. Vielleicht wäre das besser so?, fiel ihr ein. Er hätte das Licht löschen sollen, und sie würde sterben. Aus eigener Kraft.
    Sie wickelte sich in eine Kuhhaut ein. Wie sie so still auf dem Boden lag, wurde ihr bewusst, dass ihr Atem flach und schnell ging. Die erste Yogaübung kam ihr in den Sinn. Die Totenposition. Was für ein Name in dieser Situation! Die zugleich einfachste und schwierigste aller Yogaübungen, hatte das Buch verkündet. Einfach, weil man sich dabei nicht bewegen musste, und so schwierig, weil in der Vollendung der Geist die Materie beherrschen sollte. Ein hoch gesetztes Ziel, und im Augenblick stand ihr die Materie weit näher als der Geist. Sie konzentrierte sich auf den Atem und auf die Muskeln in den Beinen, im Bauch und in den Armen und versuchte, sie nacheinander anzuspannen und zu entspannen. Währenddessen lebte ihr Wille zum Widerstand auf. Nein. Sie wollte nicht kampflos aufgeben. Sonst hätte sie sich schon in Kolumbien erschießen lassen können. Sie rechnete he-rum, wann Lutz ihr Verschwinden bemerken könnte. Sie telefonierten nicht jeden Tag miteinander, das würde also dauern. Zudem lag wenig Sinn in Selbstvorwürfen, weil sie nicht auf kürzestem Weg zum Polizeipräsidium geeilt war. Bruno musste ihr aus der Wellritzstraße gefolgt sein. Ihm wäre irgendeine List eingefallen, um sie auf die eine oder andere Weise in die Falle zu locken, bevor sie Milano und Wolfert hätte alarmieren können.
    Wie würde Tiri vorgehen? Er war ein Mann der Tat, der nichts von Aufschüben hielt. Sie malte sich aus, wie er in den Keller stürmte, die Pistole vom Fischermord im Anschlag. Wie er auf ihr Herz zielte. Und abdrückte. Den Schuss würde draußen niemand hören; ob mit oder ohne Schalldämpfer. Falls er die Waffe aus Osteuropa vernichtet hatte, nahm er eben etwas anderes. Die Wände boten reichlich Auswahl. Zur Not tat es ein Knüppel. Darauf verstand er sich. Und ihr Schädel war nicht aus Eisen gebaut.
    Sie schlug die Hände vor das Gesicht. Sie konnte die Fackeln nicht länger ertragen. Das Flackern machte sie irre. Doch gleich darauf schüttelte sie die hilflose Ergebenheit wieder ab, sprang auf und rüttelte an den Stäben und an der Tür und trat solange auf den Bären ein, bis er samt seinem Podest umkippte. Der plumpe Körper krachte gegen das Gitter, rutschte herunter, und der offene Rachen verbiss sich in den Stäben.
    Norma duckte sich hinter den Bärenkörper. Sie wartete.
    Als Bruno erschien, kam er nicht allein. Tiri ging voraus. Unbewaffnet.
    Mitten im Raum blieb er stehen. »Mach es kurz, Bruno. Ich habe in der Weinstube zu tun. Was soll diese kindische Maskerade? Und warum hast du mich herbestellt?«
    Bruno lauerte an der Tür. »Sieh hinter die Gitter!«
    Tiri spottete, wie lange Bruno sich weiterhin vor dem ausgestopften Bären fürchten und ihn eingesperrt halten wolle, und schlenderte an den Käfig heran. Als er Norma entdeckt, verlor er einen Teil seines Gleichmuts. Er öffnete den Mund, sagte aber nichts, bevor er sich wieder umwandte und ihr den Rücken
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