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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe
Autoren: Dick Francis
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ungeöffneten Flasche wieder.
    »Glas?« erkundigte er sich.
    Als Antwort ging ich raus zum Lieferwagen und holte
einen Karton, der gleich sechzig enthielt.
    »Bedienen Sie sich.«
    Wortlos öffnete er den Karton, den ich auf einen
Tisch gestellt hatte, und nahm eines der Allzweckgläser heraus.
    »Ist das Eis genießbar?« fragte er zweifelnd.
    »Reines Leitungswasser.«
    Er füllte Eis und Whisky in das Glas und nippte
davon. »Sie sind ziemlich bissig heute morgen, was?«
    Ich warf ihm einen überraschten Blick zu.
»Entschuldigung.«
    »Wußten Sie, daß gestern in Schottland jemand eine
ganze Ladung von dem Zeugs gestohlen hat?«
    »Champagner?«
    »Nein, Scotch.«
    Ich zuckte die Achseln. »Tja … das kommt vor.«
    Ich holte eine dritte Kiste und packte die Flaschen
aus. Jimmy sah eisklimpernd zu.
    »Was verstehen Sie von Whisky, Tony?« sagte er.
    »Nun … einiges …«
    »Könnten Sie die Sorten auseinanderhalten?«
    »Besser bei Wein.« Ich richtete mich von der
zweiten gefüllten Wanne auf. »Wieso?«
    »Würden Sie es merken«, sagte er mit schlecht
gespielter Beiläufigkeit, »wenn Sie einen Malzwhisky verlangten und bekämen
einen normalen Durchschnitt vorgesetzt, wie den hier?«
    Er hob sein Glas und deutete mit einem Nicken
darauf.
    »Sie schmecken ganz verschieden.«
    Kaum merklich entspannte er sich, womit er eine
innere Erregung verriet, die mir bis dahin entgangen war. »Könnten Sie einen
Malz von einem anderen unterscheiden?«
    Ich sah ihn abschätzend an. »Um was geht es
eigentlich?«
    »Könnten Sie’s?« Er war hartnäckig.
    »Nein«, sagte ich. »Nicht heute morgen. Nicht dem Namen
nach. Ich brauchte Übung. Dann vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
    »Aber … wenn Sie einen bestimmten Geschmack
kennen würden, könnten sie den aus einer Reihe von Proben herausfinden? Oder
feststellen, ob er nicht dabei ist?«
    »Möglich.« Ich schaute ihn abwartend an, aber er
ging offenbar mit sich zu Rate und brauchte Zeit. Achselzuckend ging ich noch
mehr Eis holen, das ich in die zweite Wanne schüttete; dann brachte ich die
vierte Kiste Champagner herein und riß sie auf.
    »Mir ist das sehr unangenehm«, sagte er plötzlich.
    »Was denn?«
    »Ich wünschte, Sie würden aufhören, mit diesen
Flaschen zu hantieren, und mir zuhören.«
    Seine Stimme war eine Mischung aus Gereiztheit und
Unruhe, und langsam richtete ich mich auf, ließ von den Flaschen in der dritten
Wanne ab und wurde aufmerksam.
    »Dann erzählen Sie mal«, sagte ich.
    Er war einige Jahre älter als ich, und unsere
Bekanntschaft beschränkte sich im wesentlichen auf meine Besuche bei den Hawthorns,
sei es als Getränkelieferant oder auch mal als Gast. Im allgemeinen war er
recht höflich zu mir, aber ohne übertriebene Herzlichkeit, und so war es
zweifellos auch umgekehrt. Er war der dritte Sohn des vierten Sohnes eines Grafen,
der Rennpferde gezüchtet hatte, was ihm zwar einen Adelstitel, aber kein
Vermögen einbrachte. Seine Stellung bei Jack Hawthorn rührte angeblich daher,
daß ihm der Grips fehlte, um sich in der Londoner Geschäftswelt hervorzutun.
Diese Meinung hätte ich wohl akzeptiert, wäre nicht Floras Bewunderung für ihn
gewesen, aber so oder so lag mir zu wenig an dem Ganzen, als daß ich mir den
Kopf darüber zerbrochen hätte.
    »Einer von Jacks Besitzern hat ein Restaurant«,
sagte er. »Das Silver Moondance bei Reading. Nichts für gehobene Ansprüche.
Abends Tanz. Manchmal ein Sänger. Massenbetrieb.«
    Es klang kritisch, aber nicht abfällig – eine
Feststellung, kein Vorurteil.
    Ich wartete unverbindlich.
    »Vorige Woche lud er Jack, Flora und mich dorthin
zum Dinner ein.«
    »Nett von ihm«, sagte ich.
    »Ja.« Jimmy sah mich von oben herab an. »Ziemlich.«
Er zögerte leicht. »Das Essen war in Ordnung, aber die Getränke … Schauen
Sie, Tony, Larry Trent ist einer von Jacks besseren Kunden. Er hat fünf Pferde
hier. Zahlt seine Rechnungen pünktlich. Ich will ihm nichts … aber zumindest
bei einer der Flaschen in seinem Restaurant steht auf dem Etikett nicht das,
was darin ist.«
    Er sprach mit Abscheu, worüber ich fast lächeln
mußte.
    »Das ist nicht direkt ungewöhnlich«, sagte ich.
    »Aber es ist gesetzwidrig.« Er war empört.
    »Gesetzwidrig schon. Sind Sie sicher?«
    »Ja. Also, ich glaube. Aber ich habe mir überlegt,
ob Sie vielleicht, bevor ich was zu Larry Trent sage, das Zeug dort mal
probieren könnten. Ich meine, einmal angenommen, das Personal beschwindelt ihn?
Ich meine,
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