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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe
Autoren: Dick Francis
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etwas zu leicht und zu schäumend, doch durchaus
annehmbar bei solchen Mengen. Ich verkaufte ihn sehr viel zu Hochzeiten.
    Flora nahm ihr Glas und schlenderte das Zelt
hinunter zu dem Eingang, durch den die Gäste kommen würden. Der Eingang war auf
der dem Haus abgewandten Seite, zu der Wiese hin, wo die Wagen parken sollten.
Jack Hawthorns Haus und die Stallungen lagen in einer Mulde am östlichen Rand
der Berkshire Downs, ein von Hügeln umgebener Ort, der unsichtbar blieb, bis
man nahe genug herankam. Die meisten Leute würden über die Hauptstraße auf der
Anhöhe im Rücken des Hauses eintreffen. Sie würden das letzte Stück ins Tal zu
Fuß gehen und den Rasen durch ein Tor in der niedrigen Rosenhecke betreten.
Nach mehreren solcher Partys hatte Flora das Steuern von Menschenmassen zu
einer hohen Kunst entwickelt. Außerdem wurden so auch die Pferde nicht
beunruhigt.
    Flora tat plötzlich einen lauten Ausruf und kam
hastig zurück.
    »Es ist doch zu schlimm mit ihm. Da ist schon der
Scheich. Sein Wagen kommt den Hügel rauf. Jimmy, lauf ihm entgegen. Jack ist
noch beim Umziehen. Führ den Scheich im Hof herum. Tu irgendwas. Zu dumm,
wirklich. Sag Jack, daß er da ist.«
    Jimmy nickte, stellte ohne Eile sein Glas nieder
und zog gemächlich los, um den vermögenden Ölprinzen und sein Gefolge
abzufangen. Flora zögerte unschlüssig, anstatt mitzugehen, und ließ sich zu
einigen groben Indiskretionen hinreißen.
    »Ich mag diesen Scheich nicht. Ich kann nichts
dafür. Er ist ein fettes Scheusal und führt sich auf, als ob hier alles ihm
gehörte, was schließlich nicht der Fall ist. Und ich mag nicht, wie er mich
immer aus halbgeschlossenen Augen ansieht, als ob ich eine Null wäre …
aber Tony, Schätzchen, ich habe nichts gesagt, nicht wahr? Mir gefällt es eben
nicht, wie die Araber Frauen behandeln.«
    »Und seine Pferde gewinnen Rennen«, sagte ich.
    »Ja«, seufzte Flora. »Die Frau eines Trainers zu
sein ist eben nicht nur Glanz und Herrlichkeit. Manche Besitzer widern mich
an.« Sie gab mir ein halbes Lächeln und ging zum Haus hinüber, und ich lud zum
Abschluß noch einige Getränke wie Orangensaft und Coca-Cola aus.
    Oben auf dem Hügel parkte der uniformierte
Chauffeur den verlängerten, schwarzfenstrigen Mercedes, der eindeutig dem
Scheich gehörte, mit der Schnauze zum Zelt hin. Nach und nach füllte sich die
Reihe dort mit weiteren Autos, welche die Serviererinnen und andere Helfer
brachten, und schließlich, in einem steten Zustrom, die mehr als hundert Gäste.
    Sie kamen per Rolls, per Range Rover, per Mini und
per Ford. Ein Ehepaar traf mit einem Pferdetransporter ein, ein anderes auf dem
Motorrad. Manche brachten Kinder mit, andere auch Hunde, von denen die meisten
im Wagen blieben. In Kaschmir und Cord, karierten Hemden und Tweed, mit Eleganz
und Perlen wanderten sie den grasigen Hang hinunter, durch das Gatter in der
Rosenhecke, über die wenigen Meter Rasen und hinein in das einladende Zelt. Man
versprach sich einen feuchtfröhlichen Sonntagmorgen und ließ die Sorgen außen
vor.
    Wie immer bei Partys der Rennwelt kannte jeder
irgend jemand. Der Geräuschpegel stieg rasch bis in trommelfellgerbende Höhen,
und nur direkt in Wandnähe konnte man sich unterhalten, ohne zu brüllen. Der
Scheich, ganz in arabischen Gewändern und flankiert von seiner argusäugigen
Gefolgschaft, fiel mir auf als einer, der resolut mit dem Rücken zur Zeltwand
stehenblieb, während er einen Orangensaft in der Hand hielt und aus seinen
halbgeschlossenen Augen das Gedränge beobachtete. Jimmy bemühte sich ehrenvoll,
ihn aufzuheitern, wofür er manches ernste Kopfnicken empfing. Nach und nach
sprachen auch einzelne andere Gäste die kräftige Gestalt mit dem
bandgeschmückten Kopfputz an, jedoch ausnahmslos Männer und keiner völlig
ungezwungen.
    Jimmy seilte sich nach einiger Zeit ab, und ich
fand ihn an meiner Seite.
    »Schwer zu nehmen, der Scheich?« fragte ich.
    »So übel ist er gar nicht«, meinte Jimmy loyal.
»Ungewandt bei westlichen Geselligkeiten und einfach besessen von der
Vorstellung, ermordet zu werden … Man hat mir erzählt, er setzt sich noch
nicht einmal in den Zahnarztstuhl, ohne daß seine Leibwachen mit im
Behandlungszimmer sind … Aber von Pferden versteht er was. Die liebt er.
Sie hätten ihn vorhin bei dem Rundgang im Hof sehen sollen, da sind diese
Schlafaugen hellwach geworden.« Er blickte sich in der Gesellschaft um und rief
plötzlich aus: »Sehen Sie den Mann, der da mit Flora
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