Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe
Autoren: Dick Francis
Vom Netzwerk:
brauchbar, so daß
anstelle von Zeltstangen bald eine Menschenkette einen ziemlich großen Teil des
Daches hochhielt. Dabei drangen ein oder zwei Helfer kontinuierlich in die
Winkel vor, bis nach unserem Ermessen die Leute, die sich nicht direkt in der
Nähe des Pferdetransporters befunden hatten, geborgen und im Freien waren.
    Der Transporter …
    In diesen Bereich zog es niemand. Mein erster Tunnelbauer
und ich schauten uns einen langen Augenblick an und forderten dann alle auf zu
gehen, wenn sie wollten. Einige gingen, noch drei oder vier von uns bildeten
einen neuen, kürzeren und niedrigeren Tunnel, durch den wir uns an die Seite
des Transporters, die nach der stehenden Zelthälfte zu lag, heranarbeiteten.
Wir mußten straff gespanntes Segeltuch hochstemmen, um Leute zu befreien, die
noch darunter festgenagelt waren.
    Beinah die erste Person, zu der wir kamen, war
einer der Araber. Er war fürchterlich wild und hätte zu jedem anderen Zeitpunkt
komisch gewirkt. Sobald er erlöst und bewegungsfähig war, fing er zu brüllen
an, zog ein Repetiergewehr aus seinen Gewändern und fuchtelte drohend damit
herum.
    Er will nur eins, dachte ich: Einen Kugelhagel auf
diesen Schreck.
    Der Scheich fiel mir ein … Er hatte an der
Längswand gestanden, um Rückendeckung zu haben.
    Wir fanden noch zwei Lebende auf dieser Seite,
beides Frauen, beide sprachlos, beide bleich, mit zerrissenen Kleidern,
blutenden Schnittwunden, die eine mit einem gebrochenen Arm. Wir brachten sie
in Sicherheit und machten weiter.
    Vorwärtskriechend kam ich zu einem Paar Füßen, die
Zehen nach oben, dann zu Hosenbeinen, reglos. In dem von Zeltbahn gefilterten
Tageslicht waren sie leicht wiederzuerkennen: Nadelstreifenstoff, marineblau.
    Ich lüftete eine größere Fläche über ihm, bis ich
auch das geknöpfte Jackett sehen konnte, das Seidentuch und eine seitlich
weggestreckte Hand, die Bruchstücke eines Glases festhielt. Und weiter oben, wo
sein Hals hätte sein sollen, erschien unter einem drückenden Gewicht ein
Streifen karminroter Brei.
    Ich ließ die Plane fallen, mir war übel.
    »Zwecklos«, sagte ich zu dem Mann hinter mir. »Sein
Kopf ist, glaube ich, unter dem Vorderrad. Er ist tot.«
    Sein Blick zeigte, daß er genauso erschüttert war
wie ich. Langsam schoben wir uns seitlich auf das Heck des Transporters zu,
indem wir mit Mühe auf Händen und Knien unseren Tunnel vortrieben.
    Über uns, im Wageninneren, trat und schnaubte das
Pferd wie toll, zweifellos verängstigt und erregt durch den Geruch; Blut bringt
Pferde immer aus der Fassung. Dennoch bestand wohl keine Aussicht, daß jemand
die Rampe niederlassen und es herausholen würde.
    Wir fanden einen zweiten Araber, lebend, auf dem Rücken
liegend, mit einem blutigen Arm, im Gebet zu Allah. Wir zogen ihn heraus und
entdeckten nachher an der Stelle sein schwarzes Gewehr.
    »Die sind verrückt«, meinte mein Begleiter.
    »Ihren Herrn hat es nicht retten können«, sagte
ich.
    Auf Knien betrachteten wir stumm, was von dem
Scheich zu sehen war, nur sein Kopf, noch immer in dem weißen Kopfputz mit den
goldenen Schnüren. Eine Lage geröteter Zeltbahn bedeckte das übrige, und mein
Gefährte packte mich am Handgelenk und sagte: »Lassen Sie. Nicht hinsehen.
Wozu?«
    Ich dachte flüchtig an die Polizisten und die
Krankenpfleger, die bald zum Hinsehen gezwungen sein würden, aber ich hörte auf
ihn. Wir kehrten in den stehenden Teil zurück und begannen mit einem neuen
Tunnel zur anderen Seite des Transporters.
    Hier stießen wir auf Jack und auch auf Jimmy, beide
mit Pulsschlag, wenngleich sie bewußtlos waren und der massive Zeltmast, der
quer über Jacks Beinen und Jimmys Brust lag, sie am Boden festnagelte. Wir
berührten den Mast kaum, doch die durch unsere Bewegungen hervorgerufene
Erschütterung brachte Jack halb zu sich und ließ ihn vor Schmerz aufstöhnen.
    Mein Gefährte murmelte: »Himmel«, und ich sagte:
»Wenn Sie was holen, um die Plane hochzuhalten, bleibe ich solange hier bei
ihnen.« Er nickte und verschwand, so daß der schwere Stoff hinter ihm herabsank
und mich einschloß.
    Jimmy sah grauenhaft aus. Die Augen über der langen
Nase waren geschlossen, und aus dem Mund sickerte ein Blutfaden.
    Jack stöhnte weiter. Ich stemmte ein wenig Zeltbahn
auf meinen Schultern wie Atlas, und bald darauf kam mein Tunnelbaukollege mit
zwei weiteren Helfern und einem Klapptisch als provisorischem Dach zurück.
    »Was tun wir?« fragte der erste Tunnelbauer unentschlossen.
    »Den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher