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Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi

Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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keine Reaktion, umtanzt mich weiter. Scharfes Kommando vom Frauerl: „Reblaus, bei Fuß!“ Reblaus, bei Fuß, kein übles Kommando für einen Winzer. Jetzt sieht sich der Hund immerhin um. Aber noch bevor er sich entscheiden kann, ob er folgen soll, sind die beiden bei mir: Schimützen auf dem Kopf, windgerötete Wangen, in voluminöse Daunenjacken verpackt, sie einen seltsamen großen Akku am Gürtel, ähnlich jenen von Kameraleuten, er mit den blauesten Augen, die ich je gesehen habe.
    „Christian hat uns angerufen“, sagt Berthold, nachdem ich mich vorgestellt habe. „Sie hätten sich den Weg in die Kälte sparen können, wir machen gleich Mittagspause.“ Er sieht die Rebzeile nach unten, dort sind noch drei vermummte Gestalten. „Wir müssen nur noch diese paar Stöcke schneiden, normalerweise sind wir nicht so spät im Jahr dran. Mit unseren eigenen Weingärten sind wir schon vor zwei Wochen fertig geworden, aber den da konnten wir erst vor ein paar Tagen dazupachten. Etwas verwildert, höchste Zeit, dass man ihn anständig erzieht.“
    Unter Erziehung habe ich bisher etwas anderes verstanden. Eher schon das, was Frau Berthold mit dem Hund versucht. „Wir haben ihn Reblaus genannt, weil wir ihn so dringend gebraucht haben wie eine Reblaus, unser Sohn hat ihn uns letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt. Eigentlich heißt er Herkules. Er ist komplett harmlos“, erklärt sie.
    Ich nicke. Das sagen die Hundebesitzer immer. Aber man muss zugeben, Reblaus hat entzückende, eindeutig übergroße Ohren wie aus Plüsch. Das macht ihn wahrscheinlich nicht gerade zu einem Vorzeige-Rasse-Exemplar, aber dafür irgendwie weniger bedrohlich.
    „Sie finden den Weg zurück?“, fragt Berthold.
    Ich schüttle den Kopf.
    „Unser Wagen steht unten, am Beginn der Rebzeilen. Am besten, ich fahre mit Ihnen.“
    Wir steigen ein, die Märzsonne hat das Auto wohlig angewärmt. Wir nehmen den Weg zurück, die Hügelkuppe hinauf.
    „Die Aussicht ist unglaublich“, sage ich zu Berthold und deute hinunter auf Wien.
    Er nickt. „Wissen Sie, viele der Einheimischen haben diesen Blick längst verloren, sie wollen nichts wie weg, in die Stadt oder zumindest nicht mehr in die Weingärten bei jedem Wetter, auf die Felder. Ich habe Glück, ich war von Kind an fasziniert von dieser Landschaft und dankbar dafür, es ist mir geblieben.“
    Den Rest des Weges reden wir nicht mehr, als notwendig ist, damit ich zum Haus zurückfinde.
    Berthold öffnet das große Tor mit der Fernbedienung am Schlüsselbund, es teilt sich, scheint in den Wänden zu verschwinden, wir fahren in den Hof. Der Schäferhund tobt schon herum, offenbar hatten die anderen einen kürzeren Heimweg. Der weiträumige Hof ist mit Ziegeln gepflastert, der alte Teil des Hauses schließt mit einem Laubengang ab, vor dem modernen Teil auf der anderen Seite stehen neben schlanken Stahlstangen mächtige verwitterte Holzpfeiler, um die sich junge Rebstöcke winden. Weiter hinten Nebengebäude, teils gemauert und sorgfältig renoviert, teils aus grau verwittertem Holz.
    Ich folge Berthold in den großen Vorraum, an der Garderobe zähle ich fünf dick gepolsterte Jacken, an den Wänden hängen Urkunden für prämierte Weine, über der einen Tür ein ausgestopfter Raubvogel, er wirkt wach und hungrig. Ich mag ausgestopfte Tiere nicht besonders. Der Teppich scheint echt zu sein. Berthold hängt seine Jacke zu den anderen, nimmt die Mütze ab, fährt sich durch die dichten schwarzen Haare, an den Schläfen zeigen sich erste graue Strähnen, er sieht viel zu gut aus für einen Weinbauern. Aber es ist nicht nur das: Er strahlt Kraft aus und gleichzeitig Wärme, eine gewisse Verletzlichkeit, beinahe etwas Künstlerhaftes. Ich rufe mich zur Ordnung, offenbar hat der viele Sauerstoff meinen Gehirnzellen nicht gut getan, ich kenne den Typen doch gar nicht. Berthold hilft mir aus meiner für Wind und Kälte im Weingarten viel zu dünnen Stadtjacke, geht voraus.
    Die Küche ist riesig. Solche Dimensionen müssen früher Herrschaftsküchen gehabt haben. In der Mitte ein Tisch, an dem sicher zwölf, vierzehn Personen Platz haben. Rundum Regale, aber nichts Nostalgisches, alles aus Edelstahl, funktionell wie die Küche im Gasthaus Apfelbaum, in dem ich vor geraumer Zeit so einiges erlebt habe. Der Apfelbaum liegt übrigens gar nicht weit von hier, fällt mir ein, eine gute Gelegenheit, Manninger zu besuchen. Die Gastronomiekritiker jubeln über sein Konzept der regionalen, aufs Wesentliche
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