Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weil ich Layken liebe

Weil ich Layken liebe

Titel: Weil ich Layken liebe
Autoren: Colleen Hoover
Vom Netzwerk:
mein Herz fühlt sich an, als würde es gleich explodieren. Doch es gibt kein Zurück mehr. Ich muss das jetzt tun. »Ich weiß, dass man sich normalerweise für einen Auftritt anmelden muss, aber hier handelt es sich um einen Notfall.«
    Im Publikum wird gelacht. Die Unruhe, die im Saal aufkommt, macht mir noch einmal ganz deutlich bewusst, was ich vorhabe. Panik steigt in mir auf. Unsicher drehe ich mich zum Moderator um, aber der lächelt aufmunternd.
    »Leg schon los!«, ruft er.
    Ich stecke das Mikrofon in die Halterung und stelle den Ständer auf meine Höhe ein. Dann schließe ich die Augen und hole tief Luft.
    »Drei Dollar!«, ruft plötzlich jemand im Saal.
    Natürlich, die Teilnahmegebühr! Hektisch ziehe ich eine Fünfdollarnote aus der Hosentasche und gebe sie dem Moderator.
    Danach drehe ich mich zum Mikrofon und schließe wieder die Augen.
    »Mein Stück heißt …«
    Jemand klopft mir auf die Schulter. Ich öffne die Augen und sehe den Moderator vor mir stehen, der mir zwei Dollarscheine hinhält.
    »Dein Restgeld.«
    Als ich nach den Scheinen greife und sie mir in die Tasche schiebe, steht der Typ immer noch da und sieht mich erwartungsvoll an.
    »Geh endlich!«, zische ich.
    Er grinst, dreht sich um und verschwindet.
    Wieder wende ich mich ans Publikum. »Mein Stück heißt: Was ich dieses Jahr gelernt habe «, sage ich ins Mikrofon, und weil meine Stimme jetzt doch zittert, hole ich erst einmal tief Luft. Ein paar Zeilen habe ich auf der Fahrt hierher im Kopf noch dazugedichtet und geändert. Hoffentlich kann ich mich noch an alles erinnern und fange nicht gleich an, total rumzustottern. Ich atme ein und dann beginne ich:

    Ich habe dieses Jahr so viel gelernt.
    Von allen.
    Von meinem kleinen Bruder,
    den Avett Brothers,
    meiner Mutter,
    meiner besten Freundin,
    meinem Lehrer,
    meinem Vater
    und von jemandem,
    in den ich
    mich zutiefst,
    unwiderruflich,
    wahnsinnig
    und unendlich
    verliebt habe.

    Ein Neunjähriger hat mich gelehrt,
    dass es okay ist, sein Leben
    auch mal umgekehrt
    zu leben,
    und dass man über das,
    was nichts anderes als todtraurig ist,
    trotzdem lachen darf.

    Eine Band hat mich gelehrt,
    das Gefühl für das Gefühl
    in mir
    wiederzuentdecken
    und herauszufinden,
    was ich werden will,
    um es sein zu können.

    Eine Krebskranke hat mich gelehrt,
    alles zu hinterfragen
    und nie etwas zu bereuen.
    Sie hat mir nicht nur gesagt,
    dass Grenzen dazu da sind,
    sie zu erweitern, sondern auch,
    dass man Kopf und Herz
    im Gleichgewicht halten muss.
    Und sie hat mich gelehrt,
    wie man das macht.

    Ein ehemaliges Pflegekind hat mich gelehrt,
    das Schicksal, das mir in der Lotterie des Lebens
    zugeteilt wurde, anzunehmen und dankbar zu sein.
    Es hat mich gelehrt, dass es nicht die Blutsverwandtschaft ist,
    die zählt,
    weil Freunde manchmal
    die bessere Familie sind.

    Ein Lehrer hat mich gelehrt,
    dass der Punkt nicht die Punkte sind,
    sondern die Poesie.

    Ein Vater hat mich gelehrt,
    dass auch Helden sterblich sind
    und dass ich die Zauberkraft
    in mir selbst
    trage.

    Aber das Allerwichtigste
    habe ich von dem gelernt,
    in den ich mich
    zutiefst,
    unwiderruflich,
    wahnsinnig und unendlich
    verliebt habe.

    Denn
    er hat mich gelehrt,
    die Betonung
    auf das Leben
    zu legen.
    Wie soll man das Gefühl beschreiben, das einen durchströmt, wenn man bei einem Poetry-Slam vor Publikum steht? Vor all diesen Menschen, die einen gespannt ansehen und jedes Wort aufsaugen, mit dem man ihnen einen Blick in sein Innerstes gewährt … es ist schlicht überwältigend. Ich drücke dem Moderator das Mikrofon wieder in die Hand und laufe von der Bühne. Im Saal sehe ich mich atemlos um, kann Will aber nirgends entdecken. Auch die Nische, in der wir an unserem ersten Abend saßen, ist leer. Ich hatte erwartet, dass die Erde beben würde, aber jetzt wird mir klar, dass das nicht passieren wird. Er ist nicht da. Verzweifelt drehe ich mich im Kreis, lasse den Blick einmal über die Menge wandern und dann noch einmal. Er ist nicht da.
    Das unbeschreibliche Gefühl, das mich auf der Bühne erfüllt hat … auf dem Wäschetrockner sitzend in seinen Armen … vor vielen Wochen an seiner Seite hier in der Nische … es ist unwiderruflich vorbei. Noch einmal werde ich nicht imstande sein, das zu tun, was ich gerade getan habe. Ich muss weg von hier. Ich brauche Luft. Ich muss die kalte Luft Michigans auf meinen Wangen spüren.
    In dem Moment, in dem ich die Tür aufreiße und nach draußen flüchten will, lässt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher