Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiberregiment

Weiberregiment

Titel: Weiberregiment
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
selten allein. Wollt ihr Jungs ebenfalls zum Militär? Ich kann beschwören, dass wir noch nicht einmal die Trommel geschlagen haben. Vermutlich liegt es an Korporal Strappis erstaunlichem Charisma. Nicht so schüchtern, kommt näher. Wer ist der Nächste?«
    Polly musterte den nächsten Rekruten mit einem Entsetzen, von dem sie hoffte, dass man es ihr nicht ansah. Sie hatte ihn im Halbdunkel nicht bemerkt, denn er trug Schwarz – kein cooles, modisches Schwarz, sondern verstaubtes Schwarz, jene Art von Kleidung, in der man Leute bestattete. So wie er aussah… Er schien eine solche Bestattung hinter sich zu haben. Spinnweben klebten an den schwarzen Kleidern, und seine Stirn war voller Nähte.
    »Dein Name, Junge?«, fragte Jackrum.
    »Igor, Herr.«
    Jackrum zählte die Nähte.
    »Ich dachte mir schon, dass du so heißt«, sagte er. »Und du bist achtzehn, wie ich sehe.«
     
    »Erwacht!«
    »Oh, bei den Göttern…« Kommandeur Samuel Mumm hob die Hände vor die Augen.
    »Ich bitte um Entschuldigung, Euer Gnaden«, sagte der Konsul von Ankh-Morpork in Zlobenien. »Bist du krank, Euer Gnaden?«
    »Wie lautete noch dein Name, junger Mann?«, fragte Mumm. »Tut mir Leid, aber ich bin zwei Wochen unterwegs gewesen und hab nur wenig Schlaf bekommen. Außerdem hat man mir immer wieder Leute mit schwierigen Namen vorgestellt. Das ist schlecht fürs Gehirn.«
    »Ich heiße Clarence, Euer Gnaden. Clarence Kinn.«
    »Kinn?«, wiederholte Mumm, und Clarence konnte alles Weitere seinem Gesichtsausdruck entnehmen.
    »Ich fürchte ja, Euer Gnaden«, sagte er.
    »Warst du ein guter Kämpfer in der Schule?«, fragte Mumm.
    »Nein, Euer Gnaden. Aber niemand konnte mich im Hundertmeterlauf schlagen.«
    Mumm lachte. »Nun, Clarence, eine Nationalhymne, die mit ›Erwachet!‹ beginnt, fordert Schwierigkeiten geradezu heraus. Hat man dich im Büro des Patriziers nicht darauf hingewiesen?«
    »Äh… nein, Euer Gnaden«, sagte Kinn.
    »Du wirst es bald merken. Na schön, lass hören.«
    »Ja, Herr.« Kinn räusperte sich. »Die Nationalhymne von Borograwien«, kündigte er zum zweiten Mal an.
     
    »Erwachet,
entschuldige, Euer Gnaden,
ihr Söhne des Vaterlands!
Kostet nicht mehr den Wein saurer Äpfel.
Waldarbeiter, ergreift eure Beile!
Bauern, tötet mit dem Werkzeug, das ihr zuvor zum Heben von Rüben benutzt habt!
Macht die endlose List unserer Feinde zunichte.
Singend marschieren wir in die Dunkelheit,
Gegen die ganze Welt in Waffen.
Doch seht das goldene Licht an den Berggipfeln!
Der neue Tag ist ein großer dicker Fisch!«
     
    »Äh…«, sagte Mumm. »Das letzte Stück…«
    »Es ist eine wörtliche Übersetzung, Euer Gnaden«, erwiderte Clarence nervös. »Es bedeutete so viel wie ›eine gute Gelegenheit‹ oder ›eine glitzernde Trophäe‹, Euer Gnaden.«
    »Wenn wir unter uns sind, genügt ›Herr‹, Clarence. ›Euer Gnaden‹ dient nur dazu, die Einheimischen zu beeindrucken.« Mumm lehnte sich auf dem unbequemen Stuhl zurück, das Kinn auf die Hand gestützt, und zuckte zusammen.
    »Zweitausenddreihundert Meilen«, sagte er und rutschte zur Seite. »Und es ist kalt auf einem Besen, ganz gleich, wie tief er fliegt. Und dann das Boot und dann die Kutsche…« Er verzog das Gesicht. »Ich habe deinen Bericht gelesen. Hältst du es für möglich, dass eine ganze Nation verrückt ist?«
    Clarence schluckte. Man hatte ihm gesagt, dass er mit dem zweitmächtigsten Mann von Ankh-Morpork sprach, obgleich sich dieser Mann so verhielt, als wüsste er gar nichts davon. Sein Schreibtisch in diesem kalten Turm wackelte; bis gestern hatte er dem Hausmeister der Kneck-Garnison gehört. Papiere lagen auf der zerkratzten Oberfläche und bildeten hinter Mumms Stuhl hohe Stapel.
    Eigentlich sah Mumm gar nicht wie ein Herzog aus, fand Clarence. Er wirkte eher wie ein Wächter, und das war er auch, soweit Clarence wusste. Das hielt Clarence Kinn nicht für richtig. Seiner Meinung nach sollten die Leute ganz oben so aussehen, als gehörten sie dorthin.
    »Das ist eine sehr… interessante Frage, Herr«, sagte er. »Du meinst, das Volk…«
    »Nein, ich meine nicht das Volk, sondern die Nation«, sagte Mumm. »Nach dem, was ich gelesen habe, scheint Borograwien übergeschnappt zu sein. Ich schätze, die Leute versuchen einfach, so gut wie möglich zurechtzukommen und ihre Kinder großzuziehen, was ich selbst gern machen würde, möchte ich hinzufügen. Nimm einige Gruppen von Personen, die sich gar nicht von dir oder mir zu unterscheiden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher