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Wege des Herzens

Wege des Herzens

Titel: Wege des Herzens
Autoren: Maeve Binchy
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haben.«
    »Nein, hat sie nicht.«
    »Du warst nicht bei ihr.«
    »Doch, ich
war
bei ihr.« Die Ungerechtigkeit ihrer Unterstellung beleidigte ihn.
    »Sie kann doch nicht
nichts
gesagt haben.«
    »›Geh‹, hat sie gesagt.«
    »Und du bist gegangen?«
    »Liebling, das ändert doch nichts an der Sache.«
    »Für mich schon«, sagte Cinta.
     
    Clara war stets eine große Anhängerin der These gewesen, dass man seine Sorgen einfach verdrängen sollte. Vor vielen Jahren hatte sie bei einem wunderbaren Professor der Allgemeinmedizin studiert, der es fertiggebracht hatte, alle für sein Fach zu begeistern – Dr.Morrissey, der Vater ihrer Freundin Dervla.
    »Unterschätzen Sie nie, wie heilsam es sein kann, bis über beide Ohren mit Arbeit eingedeckt zu sein«, hatte er seinen Studenten mit auf den Weg gegeben. Die meisten ihrer Patienten würden davon profitieren, eher mehr als zu wenig zu tun zu haben. Dr.Morrissey hatte sich seinen schon fast legendären Ruf dadurch erworben, dass er als Mittel der Wahl gegen Schlaflosigkeit seinen Patienten einzig und allein den Rat gab, mitten in der Nacht aufzustehen und die Platten- oder CD -Sammlung zu ordnen oder die Stoffservietten zu bügeln. Was hätte er ihr wohl jetzt geraten, der freundliche Dr.Morrissey, der für Clara mehr Vater gewesen war, als ihr eigener distanzierter, verschlossener Erzeuger es je hatte sein können?
    Bestimmt hätte Dr.Morrissey gesagt: »Such dir eine Beschäftigung, bei der du alles um dich herum vergisst, etwas, das diesen Mistkerl Alan, die Scheidung und seine infantile Freundin vollkommen ausblendet.«
    Clara goss sich ein Glas Wein ein und ging nach oben. Sie würde jeden Winkel ihres Bewusstseins mit Gedanken an dieses verdammte Herzzentrum füllen, das zu leiten sie sich verpflichtet hatte.
     
    Im Quentins bedachte Adi ihre Schwester mit einem tadelnden Blick. Linda wickelte gerade eine Strähne ihres langen blonden Haares um ihren Finger und lächelte quer durch den Raum einem Mann zu.
    »Lass das, Linda«, zischte Adi.
    »Was soll ich lassen?« Linda schaute sie aus großen, blauen, unschuldigen Augen an.
    »Hör auf damit, den Typen anzumachen.«
    »Er hat gelächelt. Ich habe zurückgelächelt. Ist das vielleicht eine strafbare Handlung?«
    »Es könnte mit Komplikationen enden. Würdest du bitte aufhören zu lächeln, Linda!«
    »Na gut, Miss Sauertopf. Aber ein bisschen freundlicher könntest du schon sein«, meinte Linda schmollend.
    In dem Moment kam ein Ober, dem man die Missbilligung deutlich ansah, an ihren Tisch geeilt. »Der Herr dort drüben – Mr.Young – würde die jungen Damen gern auf einen Digestif einladen.«
    »Können Sie Mr.Young bitte ausrichten, dass wir sein Angebot dankend ablehnen«, sagte Adi.
    »Bitte richten Sie Mr.Young aus, dass ich gern einen Irish Coffee hätte«, fiel Linda ihr ins Wort.
    Hilflos schaute der Ober von einer zur anderen. Mr.Young hatte von der anderen Seite des Restaurants aus die Situation mitverfolgt und tauchte unvermittelt an ihrem Tisch auf. Der große, schlanke Mann Ende vierzig trug einen gut geschnittenen Anzug und wirkte, als wäre er fast jeder Situation im Leben gewachsen.
    »Ich habe gerade darüber nachgedacht, wie kurz das Leben doch ist, und auch traurig, wenn man es mit geschäftlichen Besprechungen mit Herren in grauen Anzügen verbringen muss«, sagte er, ein routiniertes Lächeln auf dem sonnengebräunten Gesicht.
    »Oh, da kann ich Ihnen nur zustimmen«, flötete Linda.
    »Ich auch«, sagte Adi. »Aber wir sind die Falschen, um den Rest Ihres Lebens an uns zu verschwenden, Mr.Young. Meine Schwester hier ist einundzwanzig Jahre alt und Studentin, ich bin dreiundzwanzig und Lehrerin, und wir sind wahrscheinlich nicht viel älter als Ihre eigenen Kinder. Unser Vater hat uns mit einem teuren Abendessen in diesem Restaurant bestochen, während er im Moment unserer Mutter wahrscheinlich gerade mitteilt, dass er sich von ihr scheiden lassen will. Sie sehen also, der Zeitpunkt ist denkbar schlecht gewählt. Und wahrscheinlich würden Sie mit den Herren in grauen Anzügen auch mehr Spaß haben.«
    »So viel Leidenschaft und Power in einer so jungen und schönen Frau.« Bewundernd betrachtete Mr.Young die ältere der beiden Schwestern.
    Linda gefiel das ganz und gar nicht.
    »Adi hat recht, wir
müssen
nach Hause«, sagte sie rasch, und der Ober ließ entspannt die Schultern sinken. Probleme dieser Art lösten sich nicht immer so leicht von allein.
     
    »Und du bist
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