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WattenMord (German Edition)

WattenMord (German Edition)

Titel: WattenMord (German Edition)
Autoren: Andreas Schmidt
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hatte so viele Fragen an ihn.
    Die Schatten der mächtigen Windräder strichen monoton über die weiten Felder und zauberten ein gleichmäßiges Muster auf die Wiesen. Weiter hinten, am Waldrand, zog ein Traktor gemächlich seine Bahn über einen Acker. Es stank nach Gülle, und Wiebke kurbelte das Fenster hoch. Aus dem Radio drang leise Musik. Natürlich berichtete man in den Lokalnachrichten über den brutalen Mord an Gabriele Heiners, und auch der Umstand, dass die Polizei offenbar vor einem Rätsel stand und der Mörder sich noch immer auf freiem Fuß befand, wurde thematisiert.
    Wiebke fühlte sich wie ein winziges Zahnrad in einem mächtigen Getriebe. Zwar funktionierte sie, aber dennoch blieb das Gefühl von Hilflosigkeit. Sie jagten nun schon seit vierzig Stunden einen Mörder, Torben Schäfer hatte zwar den Mord an Holger Heiners gestanden, aber alles deutete darauf hin, dass er mit dem Tod der Millionärswitwe nichts zu tun hatte. Es war zum Verrücktwerden.
    Am Ortseingang von Ostenfeld drosselte sie das Tempo und schaltete das Autoradio aus. Wiebke fand, dass es ein schönes Gefühl war, nach einem langen Arbeitstag nach Hause zu kommen. Sie lenkte den Wagen auf die kleine Einfahrt, die zum Haus führte. Heike hockte über einem Beet und bekämpfte das Unkraut. Sie winkte Wiebke freundlich zu. Das Verhältnis zwischen ihnen war beinahe freundschaftlich; sicherlich eine positive Eigenschaft der Menschen in dieser Region. Zusammenhalt wurde hier nicht gepredigt – er wurde gelebt.
    Seit ihrem Einzug in die Dachgeschosswohnung an der Hauptstraße 4 a fühlte sich Wiebke hier wie zu Hause. Und augenblicklich konnte sie es sich nicht vorstellen, hier jemals wieder auszuziehen. Sie parkte den Passat an seinem angestammten Platz und stieg aus. Trotz des aufreibenden Tages empfand Wiebke tiefe Zufriedenheit, als sie die Haustür mit den Butzenscheiben aufschloss und die Stufen ins obere Stockwerk des Hauses erklomm. Oben roch es wundervoll nach einem frisch zubereiteten Abendessen. Wiebke trat in die Wohnung und hörte ihren Vater in der Küche mit dem Geschirr klappern. Das Küchenradio lief auf voller Lautstärke – Ulbricht sang laut, aber falsch zu einer Schlagermelodie mit. Unwillkürlich erinnerte sich Wiebke an ihre Kindheit. Früher hatte er immer an den Sonntagen – wenn er zu Hause war – für seine kleine Familie gekocht. Sie erinnerte sich an die Dreizimmerwohnung an der Straße An der Bergbahn in Wuppertal-Barmen. Ob er dort noch immer lebte? Oder war er umgezogen und hatte sich vielleicht eine kleinere Wohnung genommen? Sie beschloss, ihn danach zu fragen. Wiebke spürte einen Hauch von Heimweh nach Wuppertal – ein Gefühl, das sie lange schon nicht mehr empfunden hatte. Das unerwartete Auftauchen ihres Vaters hatte längst vergessene Kindheitserinnerungen hervorgerufen.
    „Kind, da bist du ja“, sagte er, als er bemerkte, dass sie die Wohnung unter der Dachschräge betreten hatte und im Türrahmen lehnte, um ihm bei der Arbeit zuzusehen. Es duftete herrlich, und im Ofen brutzelte ein Braten. Ulbricht trug wieder die alberne Titten-Schürze, doch Wiebke hatte sich fast schon daran gewöhnt und schmunzelte nur.
    „Oh“, sagte sie erfreut und blickte in die Backröhre des Umluftofens.
    „Du machst uns einen Braten?“
    Ulbricht, der gerade den Salat an der Spüle abwusch, fuhr herum. „Warum? Braten?“ Dann schien er sie zu verstehen. „Ach so, das im Ofen. Nein, das ist kein Braten. Es ist dein Kater.“
    Wiebke schluckte im ersten Moment, dann erinnerte sie sich daran, dass sie Witze ihres Vaters schon als Kind nicht immer auf Anhieb verstanden hatte und lachte. Trotzdem ertappte sie sich dabei, sich unauffällig nach Garfield umzuschauen. Der Kater war nicht zu sehen.
    „Schön, dass du uns doch etwas kochst“, sagte sie dann.
    „Na klar. Wie in alten Zeiten, weißt du noch? Auf dem Heimweg bin ich in Mildstedt vorbeigefahren, da gibt es doch diese Ansammlung von Supermärkten auf der grünen Wiese. Ich konnte nicht anders und musste anhalten, um etwas für uns einzukaufen. Tja …“ Er machte eine ausladende Handbewegung. „Und da steh ich nun mitten im Geschehen.“ Er trat an die Arbeitsplatte und präsentierte ihr voller Stolz eine Flasche Rotwein. „Hier“, sagte er. „Habe ich extra für dich mitgebracht. Den magst du doch, oder?“
    Wiebke betrachtete das Etikett der bauchigen Flasche. Ein Rioja, die Sorte Rebensaft, die sie über alles liebte. „Ja“, sagte sie
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