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Wassergeld

Wassergeld

Titel: Wassergeld
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Prophylaxe an. Als ehemals zugelassener Arzt darf ich selbstverständlich in Notfällen operieren. Alles andere wäre ja unterlassene Hilfeleistung. Bisher ging es in den meisten Fällen übrigens gut aus.« Und wieder das eklige Lachen.
    Ich konnte es nicht fassen. Während mir das eben Gehörte durch den Kopf ging, erkundigte sich mein Kollege Gerhard: »Herr Doktor Metzger, wohin sind Sie eigentlich unterwegs? Die Evakuierung betrifft nur die sich hier aufhaltenden Menschen, Wohnwagen dürfen nicht mitgenommen werden.«
    »Welche Evakuierung?«, fragte der Notarzt erstaunt. »Davon ist mir nichts bekannt. Ich habe einen Termin in Speyer bei einem Stammkunden, der von einer Leiter gefallen ist. Soll nichts Dramatisches sein, aber dummerweise bin ich in das Schlammloch reingefahren. Bei jedem Hochwasser die gleiche Scheiße. Das Grundwasser drückt nach oben und alles wird matschig. Ich überlege schon länger, meine Parzelle zurückzugeben und mich woanders niederzulassen. Und da bin ich nicht der Einzige auf diesem Platz, über 700 Stellplätze sind bereits unbesetzt. Sogar ein paar Bauern aus der Umgebung wollen ihr Gelände verkaufen, Angebote haben sie schon vorliegen. Wenn Sie mich fragen, würde ich das genauso machen, jetzt, nachdem der Polder gebaut wird. Irgendwann ist das alles ein riesengroßer See.« Metzger schimpfte noch ein Weilchen weiter, bevor ihm ein anderer Gedanke kam. »Äh, Sie haben von einer Evakuierung gesprochen. Klären Sie mich mal auf. Was ist denn passiert? Hat es mit den Explosionen zu tun?«
    »Das könnte gut sein«, antwortete ich. »Der Deich ist an mehreren Stellen gerissen. Im Moment läuft der Marx’sche Weiher voll und wir rechnen damit, dass danach dieser Campingplatz dran ist.«
    »Scheiße!«, schrie Metzger. »Mensch, gehen Sie mal zur Seite, ich muss mit meinem Reisemobil auf die Straße.«
    Das hätten wir besser sein lassen. Der Arzt setzte sich hinter das Lenkrad und gab vorsichtig Gas. Gerhard und ich betrachteten die Befreiungsversuche von einer Seite des Wohnmobils aus. Es kam, wie es kommen musste. Die Vorderräder ruckelten über die Fußmatten, um danach erneut in den schlammigen Untergrund zu rutschen. Dreckfontänen spritzten uns entgegen und sauten uns, und was noch schlimmer war, unsere Anzüge ein. Auweia, das würde Ärger mit Stefanie geben. Doktor Metzger drückte gefühllos das Gaspedal nieder, was normalerweise ein tieferes Einsinken zur Folge gehabt hätte. Er hatte Glück. Unter dem Schlamm, der zum Großteil auf uns niedergegangen war, befand sich fester Untergrund. Metzgers Wohnmobil machte einen erneuten Satz und befand sich wieder auf dem Weg. Hupend und durch das Seitenfenster winkend fuhr er davon. Zwei Päckchen Taschentücher für unsere Säuberung waren alles, was Gerhard in seinem Dienstwagen fand.
    Inzwischen war der Graupel wieder in Regen übergegangen. Im Schritttempo fuhren wir weiter in Richtung Altrip. Wir waren nicht mehr allein. Einige Streifen- und Krankenwagen waren während unseres Gesprächs mit Doktor Metzger auf der Kreisstraße vorbeigefahren und kurvten jetzt wahrscheinlich auf dem weiträumigen Campingplatz herum. Ich konnte mir gut vorstellen, dass bei diesem Morast nicht alle Fahrzeuge problemlos zur Straße zurückfinden würden.
    Da der lang gezogene Marx’sche Weiher nur wenige Baumreihen vom rechten Straßenrand aus entfernt lag, konnte ich sein Ende gut erkennen. Etwa 200 Meter weiter knickte rechts die Rheinauenstraße ab. Sie führte um die kurze Seite des Weihers und mündete als Rampe für kleine Boote direkt im Wasser des Altrheins. Eine schmalere Verlängerung der Rheinauenstraße bildete den Deich zwischen Altrhein und Marx’schem Weiher. Die Deichkrone war asphaltiert und ausschließlich für Fahrräder und Fußgänger zugelassen. Kurz bevor die Straße einen Knick in Richtung Altrhein machte und als Rampe endete, stand rechts das Restaurant Rheinblick. Das Gebäude wirkte wie ein zu klein geratenes Wasserschloss. Mit Ausnahme des Zufahrtsweges war es komplett von Wasser umgeben. Der Deich, der den Altrhein und den Marx’schen Weiher trennte, ragte nach meiner Schätzung höchstens 1,50 Meter aus dem Wasser heraus. Gerhard fuhr auf den Rheinblick-Zufahrtsweg und parkte.
    »Pass auf, wo du hintrittst«, warnte mich mein Kollege beim Aussteigen. »Hier gibt’s zwar keinen Matsch wie drüben bei Metzger, dafür aber sehr tiefes Wasser.«
    In der Tat war neben der Deichstraße nur ein kleiner Teil der
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