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Wassergeld

Wassergeld

Titel: Wassergeld
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Organisationstalent war fulminant. Auch sie war eine der Glücklichen, die von der Weihnachtsfeier befreit war. Von KPD selbst wurde sie für diese Schicht zum Polizeiführer vom Dienst der Schifferstadter Kriminalinspektion befördert. Er hätte keine bessere Wahl treffen können. Jutta schien Frau der Lage zu sein. Die komplette Vorderfront inklusive der Fensterscheiben des Sozialraums war mit Flipchartpapier beklebt. Als sie uns erkannte, winkte sie kurz. Mehr Zeit blieb ihr nicht, da mehrere Personen gleichzeitig auf sie einredeten.
    Es war chaotisch. Zwischen den Polizeibeamten der Kripo und unseren Kollegen von der Schutzpolizei wuselten leitende Rettungssanitäter, Feuerwehrleute und Leute von der Katastrophenschutzbehörde herum. Gerhard und ich hatten uns ins hintere Eck verdrückt. Dort gab es einen kleinen Nebenraum mit einer eingerichteten Teeküche. Mein Kollege hätte am liebsten sofort seinen geliebten Sekundentod angerührt, der sich aus annähernd 100 Prozent Kaffeepulver und einer homöopathischen Dosis Wasser zusammensetzte. Zu meinem Glück waren andere Kollegen schneller gewesen und hatten einen normalen Kaffee gekocht.
    »Meine Damen und Herren«, vernahmen wir aus dem Sozialraum die Stimme unserer Jutta. Wir verließen die Küche und sahen, dass inzwischen per Beamer ein Luftbild der Altriper Region auf eine Leinwand übertragen wurde.
    »Bevor wir zu den Einzelheiten kommen«, begann Jutta ohne Begrüßung, »zeige ich Ihnen zunächst die räumlichen Gegebenheiten auf dem Luftbild.« Mit einem Laserpointer deutete sie auf Altrip. »Sie sehen hier den Rhein, der von Süden kommend direkt hinter dem ufernahen linksrheinischen Altrip um 90 Grad nach Westen abknickt. Altrip ist über zwei Kreisstraßen zu erreichen. Einmal ist es die Kreisstraße 7 von Ludwigshafen, die in West-Ost-Richtung verläuft, zum anderen ist es die Kreisstraße 13, die vom südlich gelegenen Waldsee nördlich nach Altrip führt. Beide Straßen verlaufen mehr oder weniger parallel zum Rhein.«
    Unsere Kollegin fuhr die Kreisstraßen mit ihrem Laserpointer nach. Das ganze Gebiet hatte etwa die Ausmaße eines Quadrates mit sechs Kilometer Kantenlänge. Nördlich und östlich bildete der Rhein die Grenze, im Süden lag Waldsee, im Westen Neuhofen und im Nordwesten der Ludwigshafener Stadtteil Rheingönheim. Das Ganze war ein großes Naturschutzgebiet, zumindest wenn man die hohe Besiedlungsdichte der Rheinebene als Maßstab berücksichtigte.
    »Auf halber Strecke zwischen Waldsee und Altrip befindet sich der Campingplatz ›Auf der Au‹. Er liegt fast komplett westlich der K13. Östlich der K13, also auf der anderen Straßenseite, befinden sich ein paar weitere Parzellen sowie der einen Kilometer lange Marx’sche Weiher. Dieser Weiher ist im Osten durch einen Deich vom Otterstädter Altrhein beziehungsweise dem Rhein getrennt.«
    Selbst von hinten konnten wir gut erkennen, dass der Otterstädter Altrheinarm just an dieser Stelle in den Rhein mündete.
    Jutta sprach weiter. »Dieser Deich ist an drei Stellen gebrochen. Das Rheinwasser strömt seit etwa einer Stunde direkt in das Gebiet des Marx’schen Weihers. Das Tragische dabei ist Folgendes: Durch Druckwasser hat der oberirdisch autarke Weiher nach ein paar Tagen annähernd den gleichen Wasserstand wie der Rhein. Aus diesem Grund sind seit drei Wochen die etwa 100 Campingplätze rund um den Marx’schen Weiher geräumt. Doch das reicht nicht mehr. Die K13, die den Marx’schen Weiher von der großen Campingplatzanlage trennt, liegt geringfügig tiefer als der Deich und ist in der Stabilität nicht mit einem solchen vergleichbar. Das bedeutet, bedingt durch den plötzlichen Wasserdruck, ist jederzeit damit zu rechnen, dass der Campingplatz mit seinen 3.600 Parzellen überschwemmt wird. Unsere erste Aufgabe ist daher, die Anlage zu evakuieren. Wir rechnen zu dieser Jahreszeit mit höchstens 1.000 Bewohnern. Allerdings werden einige dieser Zeitgenossen und auch die, die gerade nicht dort wohnen, versuchen, ihre Campingwagen in Sicherheit zu bringen. Sie werden unseren Rettungskräften die Evakuierungswege verstopfen. Es ist folglich mit aggressivem Verhalten zu rechnen. Ein Notlager für die Camper wird zurzeit in der Waldfesthalle Waldsee errichtet, die technische Einsatzleitung wird bei uns in Schifferstadt installiert. Der Landrat als erster Ansprechpartner für Katastrophen-Notfälle hat dafür grünes Licht gegeben. Funk für alle beteiligten Dienste wird in einer
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